Die Einsamkeit der Folterknechte

(c) Rosewater
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Das Regiedebüt "Rosewater" des amerikanischen Meisterkomödianten Jon Stewart ist eine geistreiche Betrachtung der Repression in totalitären Regimen am Beispiel des Iran.

Fast auf den Tag genau vor fünf Jahren verließ der iranisch-kanadische Journalist Maziar Bahari gegen eine Kaution von 300.000 Dollar und die schriftliche Zusage, künftig für das iranische Regime zu spionieren, das Evin-Gefängnis in Teheran. Evin ist ein höllischer Ort; 1971 unter Schah Reza Pahlavi errichtet, wurde seither so gut wie jeder namhafte Gegner des jeweils aktuellen Regimes dort gefoltert: zuerst die Anhänger von Ayatollah Khomeini, nach der Revolution von 1979 und bis heute die Monarchisten, Kommunisten und Liberalen.

Der 1967 in Teheran geborene Bahari, der in Montreal Film und Politikwissenschaften studiert hat, sprach im Juni 2009, knapp vor den Präsidentenwahlen im Iran, mit einem „Korrespondenten“ der „Daily Show“. Man muss „Korrespondent“ eigentlich nicht unter Anführungszeichen schreiben, denn wer diese von Jon Stewart moderierte satirische Nachrichtenshow kennt, weiß, dass diese Berichterstatter Schauspieler sind, die den Bierernst der Medien verulken.

Weniger witzig war die Reaktion des Regimes. Nach den Wahlen, die überraschend für den amtierenden Hardliner Mahmud Ahmadinejad ausgingen (die Wahlbehörde verkündete das Ergebnis bereits vor Schließung der Wahllokale), wurde Bahari frühmorgens von Geheimpolizisten geweckt und nach Evin eingewiesen. Er sei ein US-Spion, der unter dem Deckmantel des Reporters Aufruhr anfache und Falschinformation verbreite. 118 Tage lang saß Bahari in Einzelhaft, er wurde psychisch gefoltert und geschlagen.

„Unmöglich!“ – „Nicht in New Jersey.“

Lange fühlte sich Stewart für Baharis Bredouille mitverantwortlich. Dass der Auftritt in der „Daily Show“ jedoch nicht Anlass für die Inhaftierung war, entblätterte sich bald in „Rosewater“, seinem Film über diesen Fall. Schon ab seiner Ankunft in Teheran war er von der Geheimpolizei beschattet worden. Der Film beginnt ein wenig flapsig, doch sobald Bahari, fabelhaft dargestellt vom Mexikaner Gael García Bernal, im Gefängnis ankommt, gewinnt diese Geschichte an Tiefe und Bedeutung. Im engen Büro seines Folterknechts, den Bahari wegen seines penetranten Parfums „Rosewater“ nannte, dekliniert Stewart die Phasen der Folter durch, die unter allen Regimen gleich sind: von Isolation über Einschüchterung und Kumpanei bis zu körperlicher Gewalt. Und letztlich ist Rosenwasser (toll gespielt von Kim Bodnia, einem Dänen jüdischer Herkunft) wie alle Folterknechte ein armes Würstel: Er wäre gern ein weltgewandter Manipulator – und ist doch nur ein einsamer Prügelmann, der sich an Baharis frei erfundenen „Geständnissen“ über orgiastische Massageeskapaden in New Jersey erhitzt („Dort soll jemand vor Lust gestorben sein.“ – „Was? Unmöglich!“ – „Nicht in New Jersey.“)

Wenn es etwas an diesem Film zu kritisieren gibt, dann die etwas naive Darstellung von der politischen Kraft der sozialen Medien. Stewart scheint auch fünf Jahre nach der Niederschlagung der „grünen“ Demonstrationen durch die Mullahs und ihre Häscher zu glauben, dass man böse Regierungen wegtwittern kann. „Diese Regime sind analog“, sagte er dieser Tage im Interview mit Yahoo. „Sie können die neuen vernetzten Proteste nicht kontrollieren.“

Noch kein Verleih in Österreich

Ein Blick nach China, Aserbaidschan oder Russland überzeugt vom Gegenteil. Auch die Herrscher des Iran sind nicht so steinzeitlich, wie man im Westen gern glaubt. Evgeny Morozov hat 2011 im Buch „The Net Delusion“ beschrieben, wie seit 2006 in Qom, dem Zentrum schiitischer Glaubensindoktrination, religiöse Blogger ausgebildet werden. Auch die Revolutionsgarden haben sich mit modernster (europäischer) Technologie zur Überwachung des Internets ausgestattet und organisieren regelrechte Bloggerbrigaden.

Wann „Rosewater“ in Österreich zu sehen sein wird, ist offen. Genauso wie für den sehenswerten Edward-Snowden-Dokumentarfilm „Citizenfour“ von Laura Poitras („Die Presse“, 4.November 2014) gibt es hierzulande noch keinen Verleih.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.11.2014)

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