Die Film-Orgie – in der endgültigen Version?

Zur Filmmostra kommen Boykottdrohungen (wegen Berlusconi), Stars und streitende Regisseure.

Proteste gab es heuer bereits vor der Programm-Pressekonferenz der Filmbiennale Venedig: Die hatten aber wenig mit der Auswahl von Festivaldirektor Marco Müller zu tun, sondern mit der Filmpolitik der Regierung Berlusconi. Der hatte 200 Mio. Euro zusätzliches Produktionsgeld versprochen – und aus Spargründen wieder gestrichen. Bekannte Schauspieler und Regisseure drohten sogar mit Boykott des Filmfestivals.

So weit wird es aber wohl nicht kommen, von Müllers Seite mangelt es nicht an Unterstützung. Die vorsorglich verstärkte italienische Präsenz beginnt am Mittwoch mit einem Eröffnungsheimspiel: Baaria, ein autobiografisches Epos von Giuseppe Tornatore (Cinema Paradiso), ist einer von vier italienischen Wettbewerbsbeiträgen, stärker vertreten sind nur die USA. Auch das eine prophylaktische Geste: Über zu wenig Hollywood wurde oft geklagt – gerade im Vorjahr, verschlimmert vom Drehbuchstreik. Italiens Gazetten lechzen nach Glamour und Stars. Die marschieren heuer wieder über den roten Teppich, aber fast nur zu Galas außer Konkurrenz: George Clooney zur Irak-Komödie The Men Who Stare at Goats, Richard Gere zum Thriller Brooklyn's Finest. Sylvester Stallone wird fürs Lebenswerk geehrt und bringt einen Director's Cut seines Rambo. Das gefeierte Animationsstudio Pixar wird mit dem Ehrenlöwen prämiert, dazu werden u.a. die neuen 3-D-Versionen der alten Toy-Story-Filme gezeigt.

Trotzdem bleibt Müller seinem Ruf als radikaler Verfechter von Autorenkino treu. So sind die US-Filme im Wettbewerb relativ unabhängig entstanden. Ihre Regisseure haben eine eigene Handschrift, so unterschiedlich die auch sein mag: Horror vom sozialkritischen Zombiemeister George A. Romero, antikapitalistische Attacken vom Populisten Michael Moore, ein New-Orleans-Remake des Krimis Bad Lieutenant vom Deutschen Werner Herzog. Letzteres könnte für Streit sorgen: Abel Ferrara, Regisseur des Originals, kommt auch an den Lido, hat Herzog schon den Fehdehandschuh hingeworfen.

Ein echtes Duell der Cineasten wäre jedenfalls in Müllers Sinne: Die Konkurrenz kreuzt arrivierte internationale Namen wie Jacques Rivette oder Claire Denis mit so bemerkenswerten Talenten wie Cheang Poi-sou aus Hongkong. Im Zweitbewerb Orrizonti geht es noch experimentierfreudiger zu: Dort reicht die Palette der artistischen Einzelgänger von Peter Schreiner über Romuald Karmakar zu US-Satirist Joe Dante, der einen viereinhalbstündigen Zusammenschnitt von Lieblingstrailern zeigen wird, unter dem Titel Movie Orgy– The Ultimate Version. Bleibt zu hoffen, dass Venedig diesem Versprechen gerecht werden kann. hub

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.09.2009)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.