Unternehmer-Kino: Nach dem Aufstieg folgt kein Fall

Ray Kroc (Michael Keaton) machte aus einem kleinen Restaurant ein Fast-Food-Imperium.
Ray Kroc (Michael Keaton) machte aus einem kleinen Restaurant ein Fast-Food-Imperium.(c) Einhornfilm
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„The Founder“ handelt von McDonald's-Mastermind Ray Kroc, „Gold“ von einem getriebenen Goldjäger. Die klassische Moralkeule werfen beide Filme über Bord.

Unternehmer sind idealtypische Hollywood-Filmhelden. Underdogs, die sich allen Widerständen zum Trotz durchsetzen, Getriebene, die blind ihren Sehnsüchten nachlaufen, Männer und Frauen der Tat, ohne Furcht, aber mit Tadel – ganz wie man es sich von „komplexen“ Figuren wünscht. Sie passen perfekt zu dem, was der französische Philosoph und Filmtheoretiker Gilles Deleuze in Bezug auf das US-Vorkriegskino als „Bewegungs-Bild“ bezeichnet hat: eine handlungsorientierte Form des filmischen Erzählens, die alle Arten von Aktionen miteinander verkettet, um einen narrativen Strom in Gang zu bringen. Und Unternehmer sind Aktionisten par excellence – Macher müssen einfach machen. „Citizen Kane“, nach wie vor der renommierteste Film aller Zeiten, ist im Grunde eine (tragische) Unternehmer-Story. Und weitet man den Begriff ein bisschen aus, fallen ihm alle möglichen Protagonisten-Typen zu: Gangster wie der „Pate“ Vito Corleone, Abenteurer wie Indiana Jones – sogar selbsterklärte „Träumer“ und Romantiker wie das tanzende Herzblatt-Paar aus „La La Land“.

Doch inzwischen ist auch in der Traumfabrik angekommen, dass ihr Hauptfabrikat – der amerikanische Traum – ein Ablaufdatum hat. Die Überholten und Abgehängten haben ihren Unmut unmissverständlich zu Protokoll gegeben. Was keineswegs heißt, dass der Unternehmer als Filmheld nicht mehr gefragt ist. Nur hat er neuerdings ein anderes Gesicht, ist kein aufstrebender Jungspund mehr, der sich mit Chuzpe und Karacho in die Stratosphäre schießt.

Da wird in die Hände gespuckt

Stattdessen präsentiert er sich als geschröpfter Durchschnittstyp, der es noch ein letztes Mal wissen will, der sich klammheimlich von der Reservebank aufs Spielfeld schleicht und dann unverhofft die entscheidenden Tore schießt. An „Gold“, der schon seit letzter Woche in den heimischen Kinos läuft, und „The Founder“, der heute startet, lässt sich das ganz gut verdeutlichen.

Letzterer spielt in den Fünfzigern und dramatisiert die Geschichte Ray Krocs – jenes Geschäftsmannes, der das bescheidene Privat-Bistro McDonald's in ein weltumspannendes Fast-Food-Imperium verwandelt hat. Als wir ihm zum ersten Mal begegnen, gurkt er als Vertreter von Milkshake-Mixern von Diner zu Diner, ohne nennenswerte Erfolgsaussichten am Horizont. Eine unerwartete Großbestellung lockt ihn nach Kalifornien, wo er auf die McDonald-Brüder Dick und Mac trifft – und ihr visionäres Konzept eines familienfreundlichen Schnellimbisses, dessen Effizienzmodell „dem Hirn von Henry Ford“ entstammen könnte, umgehend als Goldgrube erkennt (gespielt wird Kroc von Michael Keaton, der hier eine interessante Variation seiner angespannten Entschlossenheit aus „Birdman“ liefert).

Eingangs feiert „The Founder“ den Rationalisierungsgedanken regelrecht ab. Taylorismus erscheint als Freudenfest von Kreativität und Kampfgeist. Da wird kräftig in die Hände gespuckt, da werden Ärmel hochgekrempelt und Dinge in Angriff genommen, wie man's in Amerika so macht. In einer Rückblende skizzieren die Brüder den Grundriss ihres Wunschrestaurants auf einem Tennisplatz, während die schwungvolle Anpacker-Folk-Hymne „Music for a Found Harmonium“ den Takt vorgibt. Kroc verspricht ihnen die Franchise vom Himmel, deutet mit strahlenden Augen auf die „goldenen Bögen“ eines alten Lokal-Entwurfs: Bald könnten diese Parabeln zum Kerntotem im „Land der Kreuze und Flaggen“ aufsteigen, man muss es nur richtig anstellen. Die Brüder beißen an. Aber schon bald macht ihr Heilsbringer seinem Nachnamen alle Ehre und erweist sich als Krokodil im Schafspelz, das nur ein Ziel kennt – und zwar jenes, übers Ziel hinauszuschießen, notfalls auch auf Kosten von Qualität und dem guten Namen der wahren „Gründer“.

„The Founder“ handelt vom Kleinbürger im Rausch des Turbokapitalismus. „Gold“ hingegen inszeniert seine von Matthew McConaughey mit Wampe und waidwundem Blick verkörperte Hauptfigur als gestrauchelten Gewinner, der sich wieder aufrappelt – und dem Finderglück letztlich teurer ist als der Fund selbst. Einst ein wohlhabender Strahlemann, hält sich Kenny Wells Ende der Achtziger mit windigen Geschäften über Wasser. Als er von einem Goldfund in Indonesien hört, pfändet er seine letzten Wertsachen, heuert den Geologen Michael Acosta (Édgar Ramírez) an und setzt alles auf eine Karte. Nach etwaigen Startschwierigkeiten stoßen die beiden tatsächlich auf Gold, und bald reißen sich sämtliche Wall-Street-Investoren um ihren Claim. Es gibt nur einen Haken: Die Ader ist nicht echt. Aber mit Dollarzeichen in den Augen sieht man schlecht (die Handlung basiert lose auf einem realen Goldminen-Betrugsskandal).

Erst Idealismus, dann ein „Teufelspakt“

Beide Filme folgen dem üblichen Verlauf des Unternehmerkino-Genres. Anfänglicher Idealismus weicht Besessenheit und Gier – ein Wandel, der an entscheidender Stelle mit einem „Teufelspakt“ besiegelt wird. Blonde Verführerinnen symbolisieren die Anziehungskraft des Geldes, während die treuen Gattinnen (Laura Dern, Bryce Dallas Howard) irgendwann als unnötiger Ballast geschasst werden. Doch in einem wesentlichen Punkt unterscheiden sich „Gold“ und „The Founder“ von ihren Vorgängern. Dort ging es klassisch moralisch um Aufstieg und Fall. Diesmal fällt der Absturz sanft aus – oder fehlt komplett. Wells lernt seine Lektion, bleibt aber nicht ohne Abfindung. Und Kroc kann vielleicht nur noch mit einem Auge in den Spiegel schauen, aber eigentlich hat er alles erreicht. Am Ende wirken sie wie die ersten Helden des Trump-Zeitalters: Der Erfolg gibt ihnen Recht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.04.2017)

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