„Guardians of the Galaxy 2“

Das Beste aus unserer Superhelden-Milchstraße

In diesem All hat jeder seine Marotten: Weltraum-Outlaw Yondu (Michael Rooker) mit Waschbär Rocket (Bradley Cooper).
In diesem All hat jeder seine Marotten: Weltraum-Outlaw Yondu (Michael Rooker) mit Waschbär Rocket (Bradley Cooper).(c) Walt Disney Studios
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Mit „Guardians of the Galaxy 2“ kommt das nächste Comicblockbuster-Sequel ins Kino. Doch diese Weltraumwächter unterscheiden sich erfreulich von anderen Superheldenteams: Sie bleiben immer menschlich, allzumenschlich.

Welcome to the human race“: So tönt der schwungvolle Electric-Light-Orchestra-Hit „Mr. Blue Sky“ am Anfang des neuen „Guardians of the Galaxy“-Films, während sich sein Heldentrupp im Hintergrund mit einem grausigen Weltraummonster herumschlägt.

Berufsalltag für die ironisch titulierten Galaxiewächter – eine illustre Außenseiterbande, die das Marvel-Leinwanduniversum mehr unsicher macht als behütet. Und obwohl es auf den ersten Blick nicht danach aussieht: Hier geht es tatsächlich darum, was es heißt, ein Mensch zu sein.

Implizit stellen Blockbuster diese Frage öfter, als man meinen könnte. Aber nur wenige finden so sympathische Antworten wie die „Guardians“-Reihe. Menschliches Aussehen spielt in ihrer durchgeknallten Welt keine Rolle: Zum Team gehört ein bis an die Reißzähne bewaffnetes Nagetier namens Rocket (gesprochen von Bradley Cooper), der ganzkörpertätowierte Hüne Drax (Dave Bautista), die grünhäutige Kämpferin Gamora (Zoe Saldana) – und ein sprechender Baum (Vin Diesel), der am Ende des ersten Films zum süßen Bäumchen schrumpfte. Angeführt wird das Gespann vom Erdabkömmling Quill (Chris Pratt), der seinem Nom de guerre „Star-Lord“ keinerlei Ehre macht – er ist mehr Schlurf mit Muckis als Sternenherr. Und auch seine Mitstreiter gehen kaum als strahlende Vorbilder durch, jeder hat seine Macken und Marotten.

Immer einen Walkman im Gepäck

Man merkt schon: Menschlichkeit bedeutet hier Unvollkommenheit. Zu Beginn kontrastiert „Guardians 2“ seine schrulligen Figuren bewusst mit einer Rasse güldener Alien-Aristokraten, die beim Anblick solchen Abschaums die Nase rümpfen. Der Abschaum macht sich nix draus und lässt sogar noch ein paar Wertsachen mitgehen. Im Ramsch-Raumschiff tuckert er durch ein technologisch hochentwickeltes Weltall und frönt anachronistisch analogen Freuden: Quill hat immer einen Walkman im Gepäck, samt Mixtape voller Hits der Siebziger und Achtziger (aus denen sich der fröhliche Jukebox-Soundtrack des Films zusammensetzt).

Doch manchmal wird dem Freibeuter ganz weh ums Herz. Als Kind konnte er seinen leiblichen Vater nie kennenlernen, sehnt sich daher nach einer männlichen Bezugsperson, am besten einer wie David Hasselhoff. Umso größer die Überraschung, als es die Guardians auf einen Planeten verschlägt, wo ein kumpelhafter Bartträger waltet – und sich als Quills Erzeuger zu erkennen gibt (gespielt wird er von Kurt Russell, als Eighties-Ikone kein schlechter Hasselhoff-Ersatz). Paps, ein quasi gottgleiches Astralwesen mit dem verräterischen Namen „Ego“, will alles wieder gut machen – aber um welchen Preis?

Dass dieses Drama nie zu dramatisch wird, gehört zu den Markenzeichen der Serie (und seiner Comicvorlage). Fast schon reflexartig durchkreuzen sarkastische Schmähs und augenzwinkernde Übertreibungen jeden Anflug von billigem Pathos. Wenn sich dann doch ein ungebrochenes Sentiment zwischen die Actionszenen schummelt, wirkt es umso stärker: eine gängige Marvel-Strategie, die jedoch nie so stimmig aus dem Gesamtkonzept hervorgeht wie hier. Und nicht nur darin hebt sich „Guardians of the Galaxy 2“ vom Superhelden-Einerlei ab. Auch ästhetisch hat er weit mehr zu bieten als die abgeschmackten Reißbrett-Effekte der Konkurrenz. Das schillernde Produktionsdesign versetzt wiederholt in Staunen: Besonders Egos wandlungsfähiger Hippie-Himmelskörper beeindruckt mit Detailreichtum, seine Entstehungsgeschichte wird mit Hilfe gigantischer Porzellanfiguren erzählt.

Weltraumschlachten à la „Pac-Man“

Außerdem weiß Regisseur James Gunn, Absolvent der New Yorker Trashfilm-Schmiede Troma, wie man Popkultur abseits gefälliger Anspielungen in eine Handlung integriert. Er macht sie zur De-Facto-Hauptreligion seiner Erzählwelt, Heilige und Gleichnisse inklusive: Als Ego versucht, seinen Sohn zu überzeugen, von der Affenliebe für Gamora abzulassen, bedient er sich dabei des Looking-Glass-Songs „Brandy (You're a Fine Girl)“: „What a good wife you would be/But my life, my lover, my lady is the sea“. Zuweilen verwandelt sich sogar die Action selbst in eine Pop-Referenz: Weltraumschlachten erinnern an Arcade-Spiele wie „Space Invaders“ und „Pac-Man“.

Natürlich ist Gunns Film, wie alle heutigen Comic-Kassenschlager, narrativ überfrachtet. Aber seine Nebenstränge fügen sich zu einem kohärenten Ganzen: Im Kern geht es stets um die Überwindung von Narzissmus, das Bekenntnis zu persönlichen Schwächen und ein Plädoyer für Empathie. Auch Widersacher-Ungustl wie der mürrische Outlaw-Schlumpf Yondu (großartig: Michael Rooker) offenbaren diesmal ihre sensiblen Seiten, die oft ermüdende Ironie-Starre des ersten Teils wird so sanft untergraben. Aus der Dauerbespaßung windet sich heimlich und leise ungeahnter Ernst. Bis das Spektakel mit dem Anblick eines weinenden Waschbären seinen emotionalen Höhepunkt erreicht – obwohl man das albern finden müsste, geht es einem durch Mark und Bein. Klar: Innovativ ist das alles nicht. Es hat seine Mängel und Fehler. Aber unter den gegebenen Umständen sind diese Guardians das Beste, was unsere Blockbusterkino-Galaxie zu bieten hat.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.04.2017)

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