Ein unermüdlicher Klangmauerbauer

Hans Zimmer live in Mailand.
Hans Zimmer live in Mailand.(c) imago/Pacific Press Agency (Elena Di Vincenzo)
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Der eindringliche Soundtrack von „Dunkirk“ stammt von Hans Zimmer.

Jeder, der in den letzten fünf Jahren einen Blockbuster-Trailer gesehen hat, weiß, wie Unheil klingt: Ein lang gezogener Basston, unverkennbar in seiner durchdringenden Wucht, signalisierte den Aufstieg des Bösen. Dieses „Brumm!“ geht in seiner reinsten Form auf den Soundtrack von Christopher Nolans „Inception“ zurück. Sein Schöpfer, Hans Zimmer, findet es schrecklich, dass Variationen dieser verfremdeten Blechbläseraufnahme zur Allzweckwaffe von Hollywoods Marketingabteilungen gekürt wurden – und doch zeugt ihre Popularität vom beispiellosen Einfluss seines Schaffens.

Zimmer, einer der gefragtesten und erfolgreichsten Filmkomponisten der Gegenwart, hat nie eine klassische Musikausbildung absolviert. Die Karriere des gebürtigen Deutschen begann in England, wo er in diversen New-Wave-Bands Keyboard und Synthesizer spielte – im kultigen Videoclip zum Buggles-Hit „Video Killed the Radio Star“ ist er kurz zu sehen. Später zog er nach London und schrieb Werbejingles, bis ihn der arrivierte Komponist Stanley Myers unter seine Fittiche nahm. In den späten Achtzigern machte sich Zimmer selbstständig, sein Soundtrack zu Barry Levinsons „Rain Man“ brachte bald den Durchbruch. Insgesamt hat Zimmer mehr als 100 Filme mit Musik versorgt, darunter moderne Klassiker wie „Der König der Löwen“, „Gladiator“ und „Der schmale Grat“. Seine Produktivität erinnert an die seines großen Vorbilds Ennio Morricone. Einer breiteren Öffentlichkeit wurde er aber erst im Zuge seiner Zusammenarbeit mit Christopher Nolan bekannt.


Surround-Sound. Besonders die treibenden Rhythmen und wallenden Crescendos seiner Kompositionen für den Batman-Film „The Dark Knight“ sorgten für Furore und etablierten einen oft nachgeahmten „Wall of Sound“-Stil. Spätere Nolan-Soundtracks Zimmers sind noch dominanter und nehmen beinahe sinfonischen Charakter an – vor allem die Orgelexzesse im Scifi-Abenteuer „Interstellar“. Auch Nolans jüngstes Werk „Dunkirk“ wäre ohne den Zimmer-Zauber undenkbar. Kritiker werfen ihm vor, die Varianz von Hollywoods Filmmusik verringert zu haben. Vor allem, weil er mit seiner Firma Media Ventures (mittlerweile auf Remote Control Productions umbenannt) zur Durchsetzung digitaler Kompositionstechnologien beigetragen hat – Technologien, die der Entstehung dramatischer Klangwolken Vorschub leisten und Feinarbeit an den Rand drängen. Als Beleg wird auf recycelte Motive in Zimmers Oeuvre verwiesen – außerdem lässt er seine Stücke von anderen vorschreiben.

Ihn selbst dürften diese Vorwürfe kaltlassen. Sein Renommee wächst und reicht inzwischen sogar für bombastische Live-Auftritte mit Bandbegleitung in der ausverkauften Royal Albert Hall. Letzten Juni gab er ein Gastspiel in der Wiener Stadthalle. Seine eigenen Alben hört sich Zimmer nicht an: „Ich halte es nicht aus. Es ist bloß Stereo. Wenn ich schreibe, schreibe ich in Surround-Sound.“

Zur Person

1970. Christopher Nolan wird als Sohn eines Werbetexters aus England und einer Stewardess aus Amerika in London geboren; er hat zwei Brüder. Mit sieben Jahren beginnt er, Filme zu machen.

1998. Nach dem Studium englischer Literatur dreht Nolan „Following“, einen Independentstreifen, er macht alles selbst, die Familie spielt mit.

Filme. „Insomnia“ mit Al Pacino, „Batman Begins“, „The Dark Knight“, Nolan ist auch Produzent, etwa bei „Man of Steel“, „Interstellar“, „Batman vs. Superman“ oder „Dunkirk“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.07.2017)

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