Eine (Kino-)Liebe in Portugal

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„Porto“ ist eine poetische Romanze im Geiste von Linklaters „Before Sunrise“.

Der Weg vom Filmeschauen zum Filmemachen ist kein Katzensprung – doch bei manchen fördert das eine die Lust auf das andere maßgeblich. In den Sechzigern und Siebzigern sorgte eine Regiegeneration für Aufsehen, deren Drehbedürfnis auf leidenschaftlicher Cinephilie fußte: Jean-Luc Godard und Peter Bogdanovich etwa waren unersättliche Kinobesucher, hatten viel über Film geschrieben. Auch spätere Stars wie Steven Spielberg, Martin Scorsese und Quentin Tarantino zapften immer wieder ihr beträchtliches Filmwissen an.

Sie könnten die Letzten ihrer Art sein: Blickt man sich heute im traditionellen Erzählkino um, findet man eine Normästhetik vor, der jeglicher Sinn für Geschichte zu fehlen scheint. Umso mehr freut man sich daher über eine Perle wie Gabe Klingers „Porto“. Kein Film, der mit seinen Inspirationsquellen hausieren geht – aber einer, der sie stets auf bezaubernde Weise durchscheinen lässt.

Klinger, 1982 in São Paulo geboren, hat sich als Kritiker und Kurator schon früh einen Namen gemacht. Bei seinem Spielfilmdebüt stand Richard Linklater eindeutig Pate: Wie dessen Kultromanze „Before Sunrise“ erzählt „Porto“ von einem schicksalhaften Liebesabenteuer in einer für die Hauptfiguren fremden Stadt. Jake (verkörpert vom 2016 tragisch verunglückten „Star Trek“-Schauspieler Anton Yelchin) ist ein vom Leben gezeichneter Drifter aus Amerika, Mati (Lucie Lucas) eine französische Archäologiestudentin mit schwieriger Vergangenheit.

Drei Zeitebenen

Beide hat es in die portugiesische Küstenstadt verschlagen, wo ihre Zufallsbegegnung in einer kurzen, intensiven Affäre mündet: Das Epizentrum einer melancholischen Meditation über die Flüchtigkeit von Gefühlen und die wundersame Wirkmacht der Erinnerung.
Klinger arbeitet mit subtilen Andeutungen und verzichtet auf ausführliche Psychologisierung; dennoch meint man, die Figuren nach der bloß 75-minütigen Laufzeit gut zu kennen. Die Erzählstruktur erinnert an die Montage-Experimente von Alain Resnais: Drei Zeitebenen (vor, während und nach der Beziehung) fließen unmerklich ineinander, identische Szenen wiederholen sich mit feinen Unterschieden. Überdies wird jeder Periode ein anderes Format, somit eine andere visuelle Textur zugeordnet: Je nach Stimmungsbedarf kommt Acht-, 16- oder 35-Millimeter-Filmmaterial zum Einsatz.

Den behutsamen Umgang mit Stadtkulissen hat sich Klinger wohl bei Manoel de Oliveira abgeguckt – oder bei seinem Produzenten Jim Jarmusch. Aber man muss das alles nicht wissen, um „Porto“ zu genießen. Zwar merkt man Klinger seinen Ehrgeiz, magische Kinomomente zu schaffen, zu sehr an – und die Darsteller sind dem stellenweise etwas hölzernen Dialog nicht durchgehend gewachsen. Doch jeder, der von Filmen mehr erwartet als eine nette Geschichte, wird das verschmerzen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.09.2017)

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