Film: Das Böse im Reihenhausidyll

(C) Concorde Filmverleih
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George Clooneys „Suburbicon“ basiert auf einem alten Drehbuch der Coen-Brüder. Er verzahnt einen schwarzhumorigen Kleinstadtthriller mit einem Moralstück über Rassenhass.

Manchmal kann man fast ein bisschen nachvollziehen, warum Hollywood in konservativen Kreisen der USA keinen guten Ruf hat. Auf den ersten, kursorischen Blick kennt die Traumfabrik nur zwei Haltungen zur „greatest country on earth“: die des Schwarzmalers und die des Oberlehrers. Erstere äußert sich in zynischen Gesellschaftskarikaturen, letztere in besserwisserischem Botschaftskino. Obwohl man dem Schaffen der Coen-Brüder und den Regiearbeiten George Clooneys damit nicht wirklich gerecht wird: Bis zu einem gewissen Grad repräsentieren sie diese beiden Pole. Und wie Clooneys jüngstes Werk, „Suburbicon“, beweist, sind ihre Positionen gar nicht so weit voneinander entfernt.

Clooney kennt die Coens schon lang. Er wurde viermal von ihnen besetzt – meist als Einfaltspinsel gegen den Charmebolzen-Strich gebürstet. Kein Wunder also, dass er sich im Gegenzug eines Drehbuchs von ihnen annimmt. Das stammt zwar aus den 1980er-Jahren, also aus den Anfangszeiten des Duos, ist aber aufgrund seines 1950er-Settings bereits historisiert. Und kraft seines Themas, der Psychopathologie des Kleinbürgertums, ohnehin zeitlos. Meinen zumindest die Filmemacher.

Dass das Skript für sich genommen nichts Neues erzählt, dürfte ihnen trotzdem klar gewesen sein. Es handelt, wie so viele Coen-Filme, von einem frustrierten Durchschnittstypen, der mehr vom Leben will, als ihm zusteht, und darob zu drastischen Mitteln greift – mit katastrophalen Konsequenzen. Gardner Lodge (Matt Damon, dessen komische Ader nach wie vor unterschätzt wird) ist ein mustergültiger Familienvater, wohnhaft im Modellstädtchen Suburbicon. Bei einem Einbruch kommt seine Frau Rose (Julianne Moore) ums Leben. Zurück bleiben Sohnemann Nicky (Noah Jupe) und Roses Zwillingsschwester Margaret (ebenfalls Julianne Moore). Wie sich herausstellt, hat der Vorfall einen doppelten Boden – und zieht weitere Verbrechen nach sich. Bald ist von der strahlenden Fassade der Lodge-Sippschaft nichts mehr übrig.

Eine Nebenhandlung muss her!

„Suburbicon“, angesiedelt zwischen Thriller und Groteske, bietet eine Handvoll gelungener Suspense-Momente, absurder Pointen und hämischer Sinnbilder – etwa Damon, der auf einem Dreirad vor der Polizei flüchtet. Doch die Moral von der Geschicht' – wer auf Egotrips durch Luftschlösser geht, fällt irgendwann aus allen Wolken und bricht sich das Genick – gibt wenig her. Ebenso ihre Kern-Ironie: Hinter Norman-Rockwell-Gemälden lauert die Banalität des Bösen, wer hätt's gedacht! Also fügen die Ko-Autoren Clooney und Grant Heslov eine Nebenhandlung an, die versucht, einen sozialdiagnostischen Bogen zu spannen: Parallel zu (und völlig unabhängig von) Gardners Eskapaden zieht eine schwarze Familie in seine Nachbarschaft. Ihre bloße Anwesenheit verwandelt die ach so freundlichen Bewohner des Reihenhausidylls in einen rassistischen Mob.

Die Botschaft ist unmissverständlich: Rassenhass stellt bloß ein Symptom der verdrängten Komplexe einer weißen Mehrheitsgesellschaft dar, die vor der eigenen Tür kehren soll, bevor sie sich auf Feindbilder einschießt. Grundsätzlich nicht falsch, aber als Parabel dermaßen plump und herablassend (auch in Bezug auf die Afroamerikaner, die hier keine Figuren sein dürfen, sondern bloß Mittel zum Zweck), dass man sich fast instinktiv dagegen sträubt. Eins ist klar: Die Menschen, die Clooney mit seinem Schlussappell an die Versöhnlichkeit erreichen will, erreicht er so sicher nicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.11.2017)

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