„The Big Sick“: Die Mama ist gegen das Happy End

Zarte Annäherung: Noch weiß Emily (Zoe Kazan) nichts von Kumails Familientradition.
Zarte Annäherung: Noch weiß Emily (Zoe Kazan) nichts von Kumails Familientradition.(c) Comatose Inc.
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In der Komödie „The Big Sick“ erzählt Kumail Nanjiani seine eigene Lebens- und Liebesgeschichte als Sohn pakistanischer Einwanderer in Chicago – erfrischend optimistisch.

Totgesagt wurde sie schon oft, die romantische Komödie, mit ihren schicksalshaften Zufallsbegegnungen und chaotischen Dates, ihren großen Gesten, ihren triefenden Herzschmerzszenen und unvermeidlichen Happy Ends. Ganz auszurotten ist das Hollywood-Genre dennoch nicht, aber es hat sich verändert: Die jahrzehntelang wiederholte Formel wirkt heute altbacken, die genormten Beziehungskonstellationen – weiße Frau trifft weißen Mann und liebt ihn kompromisslos bis in alle Ewigkeit – entsprechen schlicht nicht der Realität großer Teile des Publikums.

Kein Wunder, dass unter den derzeit beliebtesten TV-Serien einige sind, die das Wesen der Romantic Comedy erhalten, die Liebe aber in ihrem Facettenreichtum und all ihrer Kompliziertheit zeigen. Aber auch im Kino erlebte das Genre jüngst eine Erfrischungskur: In David O. Russells „Silver Linings“ etwa müssen die Protagonisten nicht nur zueinander finden, sondern vor allem mit ihrer eigenen psychischen Instabilität klarkommen. Und in „How To Be Single“, der über lange Strecken den Mustern der klassischen Ensemble-Romantikkomödie folgt, entdeckt die Hauptfigur am Ende gar, dass sie gar keinen Prinzen will!

Der neueste Zuwachs im Genre, „The Big Sick“, packt große Themen – Integration, Toleranz, familiären Druck – klug und witzig in einen klassischen Romantikplot und stellt die große, komplizierte Liebe einer Institution gegenüber, die der in Rom-Coms idealisierten Idee von Herzflattern nicht ferner sein könnte: der arrangierten Ehe. Eine solche soll nämlich der liebenswerte, irgendwie durchs Leben lavierende Stand-up-Komiker Kumail (Kumail Nanjiani) eingehen, wenn es nach seiner aus Pakistan nach Amerika migrierten Familie geht. Seine Mutter wird nicht müde, ihm bei jedem Familienessen geeignete Kandidatinnen zuzuführen: „Schaut, wer gerade zufällig vorbeigekommen ist!“, sagt sie dann und eröffnet den hochoffiziellen Austausch formaler Höflichkeiten.

Wahre Romanze der Drehbuchautoren

Kumail lässt das geduldig über sich ergehen. Dann aber verliebt er sich in die quirlige amerikanische Studentin Emily (Zoe Kazan). Die glückliche Zweisamkeit erfährt einen jähen Abbruch, als Emily von den pakistanischen Heiratskandidatinnen erfährt, und dem Umstand, dass Kumail seiner Familie lieber nicht von seiner weißen Freundin erzählen will – und die Sache wird noch komplizierter, als Emily kurz darauf wegen einer mysteriösen Infektion im Koma landet.

So tragisch das klingt: Selbst in den Momenten, die sich um Krankheit und Verzweiflung drehen, behält der Film seinen humorvollen, optimistischen Ton und seine leichtfüßige Gangart – vor allem dank Kumail Nanjiani, der hier herrlich blödelnd eine fiktionalisierte Version seiner selbst spielt: „The Big Sick“ basiert lose auf der wahren Romanze zwischen ihm und seiner Frau, Emily Gordon. Die beiden schrieben das Drehbuch, als Produzenten gewannen sie Comedymeister Judd Apatow, Michael Showalter („Wet Hot American Summer“) inszenierte die Geschichte ohne stilistische Besonderheiten, aber mit viel Liebe für jede einzelne Figur. Schwierigen Themen nähert sich der Film mit einer komödiantischen Leichtigkeit, die auch tröstlich wirkt: Wenn Kumails Vater erzählt, wie er den Facebook-Account des aus der Familie verstoßenen (weil mit einer Amerikanerin verheirateten) Cousins hacken musste, um dessen Babyfotos zu sehen, hat das hier etwas Hoffnungsvolles: Ganz los wird man seine Familie nicht, auch wenn man der großen Liebe eine Chance gibt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.11.2017)

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