„Anna Fucking Molnar“: In diesem Film ist die Frau der Macho

Die Titelfigur Anna Molnar, eine abgestürzte Schauspieldiva, erlaubt sich, was meist nur Männer tun. Emanzipation geht auch anders.
Die Titelfigur Anna Molnar, eine abgestürzte Schauspieldiva, erlaubt sich, was meist nur Männer tun. Emanzipation geht auch anders.(c) Gavriel/Kolm
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Nina Proll hat mit ihren Aussagen zur Debatte um sexuelle Belästigung polarisiert. Ihr Drehbuchdebüt „Anna Fucking Molnar“, das am Freitag anläuft, ist unverblümt – und bewusst – sexistisch. Das macht die platte Klamotte nicht besser.

Die Leute wollen was zum Anschauen – und zwischendurch ein paar Quasteln“, sagt der Trash-TV-Regisseur. Sie möge sich bei der Theater-Premiere doch bitte auf der Bühne ausziehen, sagt der Theaterdirektor zum Star des Hauses: „Das zeigt die Verletzlichkeit deiner Figur.“ Und selbst der Brandschutzbeauftragte des Theaters pariert selbstgefällige Bemerkungen mit Aussprüchen der niederen Sorte: „Mit Körbchengröße A würde ich den Mund nicht so voll nehmen.“

Wenn man so will, könnte man dem Film „Anna Fucking Molnar“ einige Beispiele für den strukturellen Sexismus und Chauvinismus in der Unterhaltungsbranche entnehmen. Für die Art, wie dort – und das ist nicht erst seit dem Fall Harvey Weinstein und den darauf folgenden Enthüllungen bekannt – Frauen oft auf ihren Körper reduziert und ihre Leistungen nicht gleichwertig jenen der Männer anerkannt werden. Nur: Wie soll ein Film den Sexismus im Showbusiness anklagen, wenn seine Protagonistin selbst sexistisch ist? Wenn sie die Sitten im Job als gegeben hinnimmt und auf den Körbchengrößen-Sager mit verletztem Stolz entgegnet: „Ich trage B!“

Derb, zynisch, sexuell fordernd

Aber um Protest geht es dem Film ja gar nicht. „Anna Fucking Molnar“ ist das Drehbuchdebüt von Nina Proll, die sich auch die Titelrolle auf den Leib geschrieben hat. In der aktuellen Debatte um sexuelle Belästigung hat Proll mit einem Facebook-Posting polarisiert, in dem sie den Hashtag „#metoo“ und Schauspielkolleginnen, die über Belästigungen klagten, scharf kritisierte: Sexuelle Annäherungsversuche finde sie „grundsätzlich erfreulich“, Beschwerden über Avancen mächtigerer Männer würden die Gewalt verharmlosen, die anderen Frauen angetan würde. „Wie weit ich gehe, um Karriere zu machen, bleibt jeder Frau selbst überlassen“, schrieb Proll. Was sie, wie sie später in etlichen Interviews und Sendungen erklärte, als Appell für mehr Selbstbestimmtheit verfasst hat, löste in den (sozialen) Medien eine hitzige Debatte – und eine Welle von Unmut – aus: Kritiker warfen ihr Unsolidarität und Täter-Opfer-Umkehr vor, sie sabotiere den Kampf der Feministinnen und schädige jene Frauen, die sich nicht selbst gegen Belästigung wehren können.

Der Film zur Debatte ist „Anna Fucking Molnar“ (an dem Proll schon seit einigen Jahren arbeitete) nicht – aber er illustriert die Konsequenz, mit der Proll die Opferrolle und das Klagen über unfaire Verhältnisse ablehnt. Und nicht nur in der Sexismus-Kontroverse Argumente vertritt, die gemeinhin Männern zugeschrieben werden, sondern auch in ihrer Rolle Attribute annimmt, die im Genre der romantischen Komödie meist für Männer vorgesehen waren: Die Schauspieldiva Anna Molnar ist derb, zynisch, sexuell fordernd und bindungsscheu. Nach einer verpatzten Premiere zieht sie – vom Partner (Prolls Ehemann Gregor Bloéb) betrogen und verlassen, mit Burn-Out und einem Schuldenberg – wieder bei Papa (Uwe Ochsenknecht als selbstdiagnostiziert sexsüchtiger Bonze) ein und sucht Trost beim von einem Sorgerechtsstreit geplagten Feuerwehrmann Christian (Murathan Muslu). In diesem sieht sie aber hauptsächlich ein Mittel zur Erfüllung sexueller Wünsche – und nimmt ihm die stressbedingte Impotenz ziemlich übel. Schön, dass hier eine selbstbestimmte Frauenfigur mit Ecken und Kanten porträtiert wird – aber muss sie denn ein weiblicher Macho sein, um emanzipiert zu wirken? Kann feministischer Fortschritt nicht auf gegenseitigem Respekt beruhen?

Auch Männer sind nur Objekte

Dem sogenannten „Male Gaze“, also dem typisch maskulin-sexualisierten Blick auf den weiblichen Körper, wie er in Filmen oft präsentiert wird, setzt der Film, den Sabine Derflinger („Vorstadtweiber“) inszeniert hat, einen „Female Gaze“ entgegen, der genauso plump und objektifizierend ist – und in einer Parade strippender Feuerwehrkalender-Pin-up-Boys im dampfenden Nachtklub gipfelt. Inmitten solcher Klischees und der vielen platten Dialoge erfreuen immerhin einige Darsteller: Robert Palfrader blödelt sich in gewohnter Manier mit Stehsätzen durch seine Psychiaterrolle, Markus Schleinzer gibt ganz amüsant einen schmierigen, über-artikulierenden Fernseh-Regisseur. Erfreulich hebt sich vom vorhersehbaren Plot eine Traumsequenz ab, in der Anna, durch einen Pool tauchend, die Männer in ihrem Leben wie schlafende Prinzen wachküsst und mit ihnen ein liebliches Wasserballett vollführt: Denn klar, eigentlich will auch diese Frau nur geliebt werden – Machogehabe hin oder her.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.11.2017)

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