Großstadtdrama zwischen Porno und Prüderie

Teheran Tabu
Teheran Tabu(c) Filmladen
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Der in Wien gedrehte Animationsfilm „Teheran Tabu“ erzählt eindringlich von Doppelmoral im Iran.

Viel kann der Freier am Steuer nicht zahlen. Pari zählt die Scheine: Dafür gehe sich gerade einmal ein Blowjob aus, sagt sie und öffnet ihm die Hose. Er fährt langsam. Dann bremst er scharf und beginnt zu schimpfen: Ja kann das denn sein! Das ist doch seine Tochter da am Gehsteig! Mit einem Mann! Händchenhaltend! Was für eine Schlampe!

Es sind plakative Geschichten, ja, aber auch eindringliche, die die der deutsch-österreichische Animationsfilm „Teheran Tabu“ zu einem dichten Drama über die Doppelmoral in der iranischen Gesellschaft verwebt – und dabei die Widersprüche aufzeigt, die das Leben junger Menschen im auferlegten Gottesstaat prägen. Eine Prostituierte kämpft um ein würdiges Leben für ihren jungen Sohn – und nimmt dafür das Angebot eines Richters an, der ihr zwar bei der Scheidung von ihrem drogensüchtigen, inhaftierten Ehemann nicht helfen will, aber eine Mätresse brauchen kann. Eine verheiratete Frau schiebt ihr Los, als vereinsamte Mutter und Hausfrau zu enden, mit heimlichen Abtreibungen vor sich her. Ein junger Musiker, dessen Songs die islamische Zensur nicht passieren, soll seiner Disco-Bekanntschaft dabei helfen, ihre Jungfräulichkeit operativ zurückzubekommen.

Ob das die Sittenpolizei weiß?

Pornografie, Drogen, Korruption neben Prüderie und Propaganda: Offen gesprochen wird über solche Tabus nicht – und genauso, wie seine Protagonisten die gesellschaftliche Enge mit kreativen Methoden umgehen, wählte auch Regisseur Ali Soozandeh einen künstlerischen Kniff, um sein Werk zugleich authentisch und stilistisch überhöht erscheinen zu lassen: Er drehte mit iranischstämmigen Darstellern in Wien, versetzte diese mittels Rotoskopieverfahren in Trickfilmoptik und modellierte die Hintergründe digital. Sein Teheran ist bald greller Moloch, dessen Neontafeln im dreckigen Sonnenlicht funkeln, bald malerisches Idyll, durch dessen Parks langsam die Sittenpolizei rollt. Ob sie von den geheimen Partys weiß, bei denen die Frauen ihren Tschador wie einen Mantel an der Garderobe abgeben? Ein beklemmendes, wenn in seiner Botschaft auch überdeutliches Drama.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.11.2017)

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