Sabine Derflinger: „Feminismus ist nicht Antispaß und Antisex“

Die Vorstadtweiber, wieder vereint: Maria Köstlinger, Nina Proll, Gerti Drassl, Martina Ebm (v. l.).
Die Vorstadtweiber, wieder vereint: Maria Köstlinger, Nina Proll, Gerti Drassl, Martina Ebm (v. l.).(c) ORF (Hubert Mican)
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Am Montag beginnt die neue und dritte Staffel der ORF-Serie „Vorstadtweiber“. Regisseurin Sabine Derflinger spricht über die selbstbewussten Frauen in der Serie, die Relevanz der #MeToo-Bewegung und ihr erstes Theaterstück.

Die Presse: Wie erklären Sie sich den Erfolg der „Vorstadtweiber“?

Sabine Derflinger: Die Leute lieben es, weil es hier um eine Gruppe unterschiedlicher Frauen in verschiedensten Beziehungskonstellationen geht – und man sich mit Witz und Ironie über ihre Konflikte lustig macht. Das ist ein bisschen so, wie wenn man beim Nachbarn ins Fenster reinschaut.

Den Männern ergeht es ja nicht so gut.

Ja, die Damen sind sehr selbstbewusst und tun, was sie möchten. Im Umgang mit ihren Männern sind sie doch recht machoid. Das kritisieren manche als antifeministisch. Aber was heißt denn Feminismus? Das heißt ausschließlich, dass es gleiche Rechte und gleiche Möglichkeiten für Männer und Frauen gibt. Feminismus ist aber kein Verhaltenskodex, keine moralische Definition. Manchmal kommt es bei Kritikern so daher, als wäre Feminismus gleichbedeutend mit Antispaß, Antisex – aber das stimmt ja nicht.

Wie sehr ist denn die Gleichberechtigung in der Filmbranche Realität?

Es gibt europaweit in der Film- und Medienbranche die Forderung nach Quoten. Da bemerkt man dann schon, dass man öfter angerufen und beschäftigt wird. Es wäre ganz einfach, dass sich die Dinge verändern: Es muss gesetzlich festgeschrieben sein – etwa gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Im Regierungsprogramm wird die Ehrenamtlichkeit der Frauen gelobt, und die Unterschiede der Geschlechter werden betont – aber noch ist der Rückschritt nicht passiert. Es wird ein Frauenvolksbegehren geben. Und wir müssen das auch global denken: Da gibt es in den USA einen Präsidenten Donald Trump und in Neuseeland eine feministische Premierministerin – es gibt also Fortschritt und Rückschritt parallel. Natürlich sind wir hier privilegiert, und vielleicht erscheint es kleinlich, wenn man sagt: „Ich will hundert Euro mehr verdienen.“ Aber es ist wichtig: gleiche Rechte, gleiche Pflichten, gleiche Möglichkeiten. Unsere Rollenaufteilung zwischen Mann und Frau ist ja uralt und passt gar nicht mehr in unsere Gesellschaft.

So wie sexuelle Belästigung, über die unter dem Motto #MeToo diskutiert wird.

Ich bin 54 Jahre alt. Und da war es von Kindheit an schon so, dass Frauen und Mädchen sexuellen Übergriffen ausgesetzt waren – egal, ob in der Schule oder beim Arzt. Das ging im Beruf so weiter. Jetzt ist der Deckel auf, und die Emotionen gehen hoch. Darüber reden ist die einzige Chance, dass sich etwas ändert. Die, die ich kenne, die sexuell übergriffig sind, denen geht der Arsch auf Grundeis – und das gefällt mir sehr.

Es gibt aber auch #MeToo-Kritiker.

Manche reden von einer neuen Sittenpolizei. Das ist alles Schwachsinn! Sexuelle Übergriffigkeit hat etwas mit Machtmissbrauch zu tun – und jeder weiß, wo da der Unterschied ist zum Flirten. Dieser Machtmissbrauch hat auch viel mit Klassenzugehörigkeit zu tun: Hoch privilegierte Frauen können jetzt den Mund aufmachen, die Lagerarbeiterin kann das nicht. Dadurch, dass die Privilegierten etwas sagen, ermutigen sie die, die das nicht können. Das ist auch global zu sehen in einer Gesellschaft, in der Frauen noch immer unten zugenäht, verschleiert oder verkauft werden.

Sie inszenieren am NÖ-Landestheater Nestroys „Der Zerrissene“, der am 17. März Premiere hat. Es ist Ihre erste Theaterregie. Wie geht es Ihnen damit?

Ich freue mich schon so, wie ich mich fürchte. Es ist ein tolles Stück mit viel Wortwitz und Situationskomik – und trotzdem haben die Figuren ernsthafte Probleme. Was mich fasziniert, ist die Sprache, das Wienerische. Interessant ist bei Nestroy auch diese Figurenkonstellation, und wie die Beziehungen miteinander abgehandelt werden. Im Unterschied zum Filmen muss ich auf der Bühne ohne Schnitt, ohne Großaufnahme auskommen. Ich muss mir also überlegen: Wie stelle ich es an, dass ich die gleiche Intensität erzeuge? Sich in der Probenzeit so lang mit den Schauspielern auseinanderzusetzen ist toll – und ich bin sicher, dass ich da etwas für meine Filmarbeit mitnehmen kann.

ZUR PERSON

Sabine Derflinger (*1963 in Wels),Regisseurin, Autorin, Produzentin, bekannt für zahlreiche Serien, Spiel- und Dokumentarfilme, u.a. „Vier Frauen und ein Todesfall“. Sie hat als erste Frau bei einem österreichischen „Tatort“ Regie geführt. Seit 2010 betreibt sie ihre eigene Produktionsfirma, Derflinger Film.

Die „Vorstadtweiber“ läuft seit Jänner 2015 äußerst erfolgreich, am 8. Jänner startet die dritte Staffel auf ORF eins (20.15 Uhr). Derflinger führt mit Harald Sicheritz Regie. Drehbuch: Ulli Brée. [ Fabry ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.01.2018)

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