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"Downsizing": Klitzekleiner Mann, was nun?

Das Durchschnittsehepaar Paul (Matt Damon) und Audrey (Kristen Wiig) freundet sich schnell mit dem Gedanken an, via Downsizing das große Glück zu finden. Jetzt im Kino.
Das Durchschnittsehepaar Paul (Matt Damon) und Audrey (Kristen Wiig) freundet sich schnell mit dem Gedanken an, via Downsizing das große Glück zu finden. Jetzt im Kino.(c) Paramount Pictures
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Große Zivilisationskritik im Kleinformat: In der Sci-Fi-Satire „Downsizing“ läuft Matt Damon als Däumling dem Glück nach; Christoph Waltz ist als serbischer Lebemann witzig.

Die meisten (Eskapismus-)Fantasien, die Science-Fiction dem geneigten Rezipienten zur Verfügung stellt, sind schon von ihrer Grundkonzeption her zweischneidig. Wer im Raketenschiff zu fremden Planeten aufbricht, den erwarten vielleicht aufregende Abenteuer – aber auch unheimliche Begegnungen mit potenziell tödlichem Ausgang. Wer durch eine glückliche Fügung mit übermenschlichen Fähigkeiten ausgestattet wird, muss irgendwann erkennen: Aus großer Kraft folgt große Verantwortung. Doch kaum eine Fantasy-Vorstellung hat so viele Haken wie die, in der man auf Däumlingsgröße geschrumpft wird.

In Richard Fleischers „Fantastic Voyage“ (1966) wird ein komprimiertes Forscherteam, das im Mini-U-Boot durch die Venen eines Verletzten gleitet, von jeder Kleinigkeit in Lebensgefahr gebracht: Antikörper greifen an, weiße Blutkörperchen verstehen keinen Spaß, minimale Erschütterungen der Außenwelt lösen innere Erdbeben aus. Selbst die familienfreundliche Komödie „Liebling, ich habe die Kinder geschrumpft“ (1989) bedroht ihre winzigen Helden mit Riesenameisen. In „The Incredible Shrinking Man“ (1957) von Jack Arnold erscheint die unaufhaltsame Verkleinerung der Hauptfigur gar als lupenreines Horrorszenario – sowie als Metapher für die Minderwertigkeitskomplexe der US-Mittelschicht.

Genau hier setzt Alexander Payne („Sideways“, „About Schmidt“) mit seinem neuen Film „Downsizing“, der 2017 in Venedig Premiere hatte, an: Er macht den Subtext des Schrumpf-Motivs explizit – und somit zum Ankerpunkt einer ambitionierten Satire. Nicht übergroßes Kleinvieh setzt den Protagonisten hier zu, sondern Hypotheken, finanzielle Engpässe und der wirtschaftliche Abschwung.

Paul Safranek (Matt Damon, der wieder zeigt, dass ihm komödiantisch unterfütterte Rollen besser stehen als die muskelbepackter Geheimagenten) und seine Frau Audrey (Kristen Wiig) führen eine nur wenig erfüllende Durchschnittsexistenz in Omaha: Ihre fordernden Jobs halten sie mehr schlecht als recht über Wasser, Kinder können sie sich nicht leisten, Erleichterung zeichnet sich keine ab. Da hören sie von einer unglaublichen Erfindung aus Norwegen: Menschen können sich auf Taschengröße schrumpfen lassen, um Umweltverschmutzung, Überbevölkerung und Welthunger entgegenzuwirken. Alte Bekannte im Kleinformat berichten beim Klassentreffen von den weltlichen Vorzügen der Minimierung: Der Wert persönlicher Ersparnisse steigt exponentiell, Liliputaner leben in sorglosen Luxusgemeinschaften mit Namen wie „Leisureland“. Bald sind die Safraneks überzeugt: Downsizing ist genau das Richtige für sie.

Demütigende Schrumpfprozedur

Dabei sollte schon die Mehrdeutigkeit des Begriffs Alarmglocken schrillen lassen: Schließlich dient er im Englischen auch als Euphemismus für Entlassungen. Die Schattenseiten des Glücksversprechens treten zügig hervor: Audrey steigt schon angesichts der demütigenden Schrumpfprozedur (inklusive Komplettrasur) aus, Paul fährt einsam in den Mikrokosmos. Dort wohnt er zwar in einer prachtvollen Villa, muss aber trotzdem im Callcenter arbeiten – und der Alltag ist genauso öd und spießig wie zuvor.

Ein böses Sinnbild für das verfehlte Wertesystem der US-Gesellschaft – doch im Herzen ist Payne ein klassischer Moralist mit sentimentaler Ader. Durchaus vergleichbar mit der witzigsten Figur des Films, die von Christoph Waltz gespielt wird: Pauls Minimundus-Nachbar Dusan. Als serbischer Freigeist und Lebemann platzt er unvermittelt ins Leben des verklemmten Biedermanns und versucht, es mit Partys und gutem Rat auf Vordermann zu bringen. Seine Sprüche strahlen Zynismus aus, sein Geld verdient er mit Zigarrenschmuggel, die Scheinheiligkeit der Welt bringt ihn nur noch zum Lachen – doch ein Unmensch ist er nicht.

Durch ihn lernt Paul Ngoc Lan Tran (Hong Chau) kennen, eine politische Aktivistin, die bei ihrer Flucht aus Vietnam ein Bein verlor und nunmehr als Putzkraft arbeiten muss. Sie öffnet seine Augen für die Abgedrängten der Wohlstandsgesellschaftsminiatur, die in Wohnhaus-Containern jenseits der großen Mauer ihr Dasein fristen. Besonders in diesen Sequenzen besticht das aufwendige Produktionsdesign der Sci-Fi-Dramödie mit Detailverliebtheit: Ein Flat-Screen dient im Ghetto als Freiluftkino, wo Cantinflas-Filme laufen.

Zugleich werden an dieser Stelle auch die dramaturgischen Schwächen von „Downsizing“ sichtbar: Weil Payne zu allen großen Themen der Gegenwart etwas zu sagen hat – von Migration bis zum Klimawandel – reißt er sie meist nur an, um den Rahmen eines Spielfilms nicht zu sprengen. Und springt dabei recht ungelenk von einem Handlungsstrang zum nächsten. Am besten fasst man diesen Film als ironischen Bildungsroman im Geiste von Voltaires „Candide“ auf. Nur dass sein Urteil über das Menschengeschlecht nicht ganz so gemein ausfällt: Auch der kleinste Mann ist hier imstande, über sich selbst hinauszuwachsen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.01.2018)

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