Kinderfilm

Preußlers „Kleine Hexe“: Fast zärtlich verfilmt

Karoline Herfurth spielt die kleine Hexe so unerschrocken frech und herzensgut, dass die Bedrohung beinahe ihren Schrecken verliert.
Karoline Herfurth spielt die kleine Hexe so unerschrocken frech und herzensgut, dass die Bedrohung beinahe ihren Schrecken verliert.(c) constantin
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In der gelungenen Filmadaption des Kinderbuchs von Otfried Preußler lebt der Archetyp der bösen Hexe wieder auf. Keine Sorge: Das Ende ist bekannt.

Die Geschichte beginnt mit einem Missverständnis. Als die kleine Hexe sich in der Walpurgisnacht am Blocksberg einschleicht, um mit den johlenden, kreischenden Alten zu tanzen, wird sie ordentlich ausgeschimpft. Sie sei mit ihren 127 Jahren viel zu jung, könne noch gar nichts, und wie sie erst rieche! Abstoßend gut! Wenn sie Teil des wilden Treibens sein wolle, müsse sie erst eine gute Hexe werden.
Eine gute Hexe werden? Das will Otfried Preußlers Lieblingsfigur unbedingt. Und so sitzt sie hoch konzentriert in ihrem windschiefen Häuschen, das so heimelig einladend ist, dass selbst die Bäume und Sträucher ihre Zweige hineinwachsen lassen, und lernt. Sitzt mit bunten Strümpfen und Strohhut in ihrer schäumenden Badewanne, und lernt. Damit genügend Brennholz im Wald liegt, hext sie Stürme herbei, und damit das Blumenmädchen Geld verdient, verleiht sie seinen Blumen den herrlichsten Duft. Freilich: Das ist es nicht, was die Horde alter Hexen gemeint hat. Denn eine gute Hexe ist böse – und verbreitet Angst und Schrecken.

Die gutherzigen Hexen von heute

Es ist ein Archetyp, der in diesem wunderbar altmodischen Film zum Leben erweckt (und besiegt) wird: die hässliche, böse, alte Hexe. Die Kinder dieses Jahrtausends kennen ihn kaum mehr, ihre Welt ist bevölkert von den Hexen Zilly oder Lilli, von Petronella Apfelmus oder Bibi Blocksberg. Sie sind alle lustig und gutherzig. Keine von ihnen würde je ein Kind in Stein verwandeln.

Wirklich beängstigend ist auch Otfried Preußlers Buch aus dem Jahr 1957 nicht, trotz der polternden Tante Rumpumpel, trotz der geballten Bosheit am Blocksberg. Ein wenig unheimlich aber doch: Die bösen Hexen ließen die Kleine ihre Macht spüren, bestraften sie mit einem tagelangen Marsch für ihre Teilnahme an der Walpurgisnacht. Im Film sind solche Szenen milder. Karoline Herfurth spielt die kleine Hexe so unerschrocken frech und herzensgut, dass die Bedrohung beinahe ihren Schrecken verliert. Sie hat sogar Spaß an ihren Fehlern, amüsiert sich königlich, wenn es beim Üben Löffel regnet.

So nah der Film an Preußlers wunderbarem Buch ist: Der alte Rabe Abraxas scheint freundlicher, das Zaubern lustiger, das Hexenhaus hübscher – und der Film insgesamt beschwingter. Ohne an Tiefe zu verlieren. Die durchaus ernste (und ernst genommene) Frage nach Identität, Gruppendruck und eigenen Entscheidungen taucht hier wie dort auf. Der Film versucht aber nicht, diese Problematik anbiedernd in die Gegenwart zu tragen, ganz im Gegenteil: Die Kleidung und die Musik, die Zündhölzer am Markt und der Kandiszucker als Schleckerei lassen eher an einen Historienfilm denken.

Mehr Retro kommt: „Jim Knopf", „Benjamin Blümchen“

Das Kramen in der Retro-Kiste ist bei deutschen Kinofilmen weiter aktuell. Ende März wird Michael Endes „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ ins Kino kommen, für Oktober ist „Benjamin Blümchen“ als Realverfilmung angekündigt. Bleibt zu wünschen, dass die Umsetzung ebenso intelligent und behutsam erfolgt wie bei der „Kleinen Hexe“. Preußler (der 2013 gestorben ist) soll übrigens ein wenig Angst vor der Verfilmung seines Lieblingsbuchs gehabt haben. Und vielleicht auch viele der (ehemaligen) Leser. Doch schon der Name der Produzenten hätte beruhigen können: Uli Putz und Jakob Claussen verfilmten mit „Krabat“ und „Das kleine Gespenst“ zuvor schon zwei weitere Romane Preußlers, die Adaption von „Heidi“ mit Bruno Ganz wurde ausgezeichnet. „Die kleine Hexe“, voll mit schönen Bildern und liebevollen Details, gefühlvoll und zeigefingerfrei, ist ebenso gelungen.

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