„The Green Lie“: Wahre Einfalt gegen grüne Lügen

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„The Green Lie“ will Ökoschmähs von Firmen entlarven. Neues lehrt die Doku kaum. Statt der feinen Klinge der Ironie packt Werner Boote den ideologischen Holzhammer aus.

Auf einer Gala in Wien applaudieren elegante Entscheidungsträger mit aufgesetztem Lächeln den Gewinnern eines Nachhaltigkeitspreises. Für eine Palmöl-Konferenz in Indonesien gestalten Produzenten, die den Regenwald abfackeln, ihren Messestand als grünes Paradies mit musizierenden Indigenen. Der deutsche Energieversorger RWE rückt auf seiner Hauptversammlung so viele Windräder ins Bild, dass man seine Kohlemeiler nicht mehr sieht. Durch diese makellosen Kulissen tappen der Dokumentarfilmer Werner Boote und die deutsche Autorin Kathrin Hartmann als ungebetene Gäste.

Sie stellen bewusst plumpe, lästige Fragen. Zwischen Bilder vom Schauplatz der Umweltsünden schneiden sie Videobotschaften der Chefs von Weltkonzernen, die mit weichgespülter Samtstimme beteuern, es liege ihnen nichts so sehr am Herzen wie die Rettung unseres Planeten. Da denkt man: Es hätte etwas werden können mit „The Green Lie“, Bootes neuem Dokumentarfilm über das „Greenwashing“ von Großunternehmen, der auf der Berlinale präsentiert wurde und seit Freitag in Österreichs Kinos läuft. Es sind seine stärksten Momente. Ehrlicher gesagt: die einzig starken.

Denn statt mit ironischer Geste das grüne Mäntelchen zu lüften, packt der Regisseur bald den ideologischen Holzhammer aus: Die bösen, bösen Konzerne machen alles kaputt und beuten die Armen aus, die dadurch immer noch ärmer werden. Dahinter steckt der böse, böse Kapitalismus, den wir endlich überwinden müssen. Seine Botschaft inszeniert Boote als den persönlichen Erkenntnisprozess eines Ahnungslosen, der dank seiner charmant-informierten Begleiterin zum aufgeklärten Aktivisten reift. Deshalb schaut er auf seinen Reisen um die malträtierte Welt immer betroffener drein. Gegen Ende nickt er dem greisen Globalisierungsgegner Noam Chomsky zu, der treuherzig lächelnd zur Systemvernichtung aufruft. Das Szenario ist so durchschaubar wie die grünen Lügen aus den PR-Abteilungen.

Von Palmöl bis BP: Lauter alte Hüte

Aber das nähme man ja alles gern in Kauf, wenn uns Boote zugleich die Aufdeckung aktueller Missstände böte. So wie er es 2009 mit „Plastic Planet“ schaffte, ein Film, der die Diskussion über den Plastikmüll im Pazifik ordentlich in Schwung gebracht hat. Doch auch damit kann er diesmal nicht dienen: Die Schlacht ums Palmöl ist zumindest in unseren Breiten geschlagen. Dass im Vorjahr die Butterpreise explodierten, lag vor allem daran, dass Nahrungsmittelhersteller auf die Proteste reagierten und Palmöl durch Butter ersetzten. Auch dass es mehrere Jahre nach der Explosion der Bohrinsel Deepwater Horizon auf den Stränden am Golf von Mexiko noch Spuren der Ölpest gibt, obwohl BP versprach, alles zu säubern, haut bei aller Erregungsbereitschaft nicht vom Kinosessel. Also verzieht sich das Filmteam nach Brasilien. Dort träumt es mit übervorteilten Ureinwohnern davon, wie schön es doch wäre, so wie früher im Einklang mit der Natur von der Subsistenzwirtschaft zu leben. Was sie dabei vorsorglich nicht mitträumen, sind Armut, Hunger und die Erwartung eines halb so langen Lebens.

Am Schluss tanzt Boote in Wien auf einer Anti-TTIP-Demo. Auch hier rächt sich die lange Drehzeit einer Doku. Heute dämmert selbst fanatischen Gegnern des Freihandelsabkommens mit den USA, was sie mit ihrem Protest verhindert haben: ein zivilisiertes Mittel, um Handelskriege mit dem rabiaten Populisten Trump zu vermeiden. Im Abspann folgen Weisheiten aus dem „Kleinen Prinzen“. Wir wagen zu widersprechen: Man sieht komplexe Zusammenhänge nur mit kühler Vernunft gut. Das Wesentliche ist für die heißen Herzen unsichtbar.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.03.2018)

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