Lara Croft als junge Frau auf Selbstfindungstrip

Indiana-Jones-Outfit: Die burschikose Schwedin Alicia Vikander spielt die Rolle der Lara Croft.
Indiana-Jones-Outfit: Die burschikose Schwedin Alicia Vikander spielt die Rolle der Lara Croft. (c) Ilzek Kitshoff / Warner Bros.
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Die neue"Tomb Raider"-Verfilmung bietet eine Coming-of-Age-Geschichte im Gewand eines Actionspektakels - und will Lara Croft nahbarer machen.

Als das Actionabenteuerspiel „Tomb Raider“ im Jahr 1996 Computer- und Fernsehbildschirme dieser Welt in Beschlag nahm, markierte es nicht nur einen technisch-qualitativen Quantensprung für die Games-Industrie, sondern auch die Geburt einer der ersten ikonischen Avatare der 3-D-Ära: Beim Namen Lara Croft hatten bald alle, Kinder und Jugendliche ebenso wie ihre spielskeptischen Eltern, ein Bild vor Augen. Es war das Bild einer starken Frau – aber auch das eines feuchten Bubentraums. Lara, die britische „Grabräuberin“ aus dem Titel, strahlte als athletische Archäologin Selbstbewusstsein und Wagemut aus: An ihrer Seite kraxelte man auf der Suche nach mysteriösen Artefakten tollkühn durch Ruinen und Katakomben, zwei Pistolen im Anschlag zur Abwehr von Getier und Gesindel. Doch wer meint, ihr Design als Playmate im Indiana-Jones-Outfit (mit knapper Trekkinghose und überdimensionierter Oberweite, die angeblich auf einem Rechenfehler der Programmierer basierte) hätte nichts zu ihrem durschlagenden Erfolg beigetragen, der belügt sich selbst.

Die Zeiten ändern sich: Obwohl sich heute auch feministische Deutungen von Ur-Lara finden, haben ihre Inkarnationen in jüngeren „Tomb Raider“-Fortsetzungen das Sexsymbol-Image weitgehend abgestreift. Dass die aktuelle Kinoadaption des Stoffs den Wandel mitvollzieht, wundert nicht. 2001 und 2003 kämpfte sich noch Angelina Jolie in hautengen Anzügen durch die trashig-vergnüglichen „Tomb Raider“-Streifen von Simon West und Jan de Bont. Heute schlüpft die burschikose Schwedin Alicia Vikander in die Rolle Crofts – und macht aus ihr eine junge Frau auf Selbstfindungstrip.

Erdung und Psychologisierung

Die Handlung des aktuellen Films orientiert sich lose an der Neuinterpretation der Figur im düsteren „Tomb Raider“-Spiel aus dem Jahr 2013. Darin artet Laras erste Expedition schnell zu einem rau-ruppigen Überlebensthriller aus: Ziel war eine Erdung und Psychologisierung der Heldin. Ob es das wirklich braucht, darüber lässt sich ebenso streiten wie im Fall jüngerer „Bond“-Filme – jedenfalls kann man sich dabei geschickter anstellen als die Urheber des neuen Croft-Blockbusters.

Wüsste man nicht Bescheid, würde man in seinem ersten Drittel gar nicht auf die Idee kommen, dass es sich um einen „Tomb Raider“-Film handelt – stattdessen wähnt man sich in einem Alltagsporträt urbanen Prekariats. Lara hält sich in London als Fahrradbotin über Wasser, sie nimmt in ihrer Freizeit Boxstunden und wirkt wie eine ehrgeizige, aber im Grunde doch ganz normale junge Frau. Aber in Wahrheit untersteht ihr das Wirtschaftsimperium ihres Vaters, Richard (Dominic West), der seit Langem verschollen ist. Die Tochter glaubt nicht an seinen Tod. Ein altes Artefakt bringt sie auf seine letzten Spuren – und Lara stürzt sich in ihr erstes Abenteuer.

Dieses führt sie nach Hongkong (Daniel Wu liefert die Starwürze für den asiatischen Markt), auf eine geheimnisvolle Dschungelinsel, schließlich in die mit Todesfallen gespickte Gruft einer mythenumrankten japanischen Kaiserin. Doch all der Abenteueraufputz ist nur Beiwerk für eine relativ simpel gestrickte Coming-of-Age-Story. Lara muss lernen, auf eigenen Beinen zu stehen und sich mit Grips, Pfeil und Bogen in einer brutalen Männerwelt zu behaupten. Außer der Hauptfigur kommen im Film kaum Frauen vor, nur eine alte Geschäftspartnerin von Papa Croft (Kristin Scott Thomas) fungiert als eine Art böse Stiefmutter.

Dass sich ein Großbudget-Actionspektakel so sehr auf die emotionale Entwicklung einer weiblichen Protagonistin konzentriert, ist wohl auch dem Erfolg von „Wonder Woman“ zu verdanken. Wirklich gelungen ist es leider nicht: Die Erzählung wirkt zu schablonenhaft, die Effekte zu künstlich, der Regie des Norwegers Roar Uthaug, der sich mit seinem Historienthriller „Escape“ für Hollywood empfohlen hat, fehlt Charakter. Wie Lara Croft selbst: Am Ende des Films weiß man alles über sie, aber was sie besonders macht, hat man vergessen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.03.2018)

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