Komödie: Besser die Sch'tis als dreibeinige Sessel

Noch sind sie das hippe Künstlerpaar: Valentin (Dany Boon) und Frau Constance (Laurence Arné).
Noch sind sie das hippe Künstlerpaar: Valentin (Dany Boon) und Frau Constance (Laurence Arné).(c) Filmladen
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"Willkommen bei den Sch'tis" war in Frankreich die bisher erfolgreichste Komödie. "Die Sch'tis in Paris" sind eher ein Adieu - trotz Dialektkomik, Pierre Richard, unweigerlichem Witz und Anflügen zärtlicher Ironie.

Merkwürdiges bringen diese Sch'tis aus ihrer Heimat, dem nördlichsten Zipfel Frankreichs, der Pariser Hautevolee: Da ist einmal ihr für Außenstehende wunderliche Akzent, der sie 2008 durch den Film „Willkommen bei den Sch'tis“ berühmt gemacht hat. Aber auch befremdliche Geschenke wie nach Benzin riechendes, mit Schimmel übersätes Biogemüse; der grotesk kleine Anzug, den der Familienvater trägt, ist das Ergebnis einer 90-Grad-Wäsche, weil seine Ehefrau die Anweisung „Dri kleaning“ für einen Witz gehalten hat. Wenigstens ist der alte Herr nicht mitgekommen ins schicke Paris auf den 80er-Geburtstagsausflug seiner Frau. So setzt er mit seinem Mangel an Weltwissen nur die eigene Wohnung unter Wasser.

Aber eines muss man den Sch'tis lassen: Sie haben in ihrer ärmlichen Wohnmobilwohnung Sessel, auf denen man sitzen kann. Und nicht die gefährlichen Dreibeiner des von Regisseur Dany Boon gespielten Pariser Stardesigners Valentin. Dieser sitzt selbst zwischen den Stühlen: Er verleugnet seine Sch'ti-Herkunft und gibt sich in perfektem Pariser Akzent als Waisenkind aus – bis seine Familie plötzlich vor der Tür steht. Ein Unfall bringt ihm Gedächtnisverlust und zum Entsetzen seines Pariser Umfelds die Teenagerjahre zurück. Inklusive Sch'ti-Akzent.

Das österreichische Publikum muss sich in „Die Sch'tis in Paris“ (im Original „La Ch'tite famille“) wie bereits im Vorgängerfilm mit dem fiktiven Dialekt der Synchronisation begnügen – der ganz auf deutsche Ohren zugeschnitten ist. Wer das aushält (oder die französische Originalfassung versteht), kann über viel grob gestrickte Situationskomik lachen und über vereinzelte Momente feiner Satire schmunzeln. Wenn Valentins Frau hinter den hundert Türen der selbst entworfenen Küche keine Kaffeetasse findet oder das Architektenpaar die für die Nutzung ihrer Tische und Sessel notwendige Beinhaltung vorführt, bekommt Dany Boon ansatzweise die Qualitäten des legendären französischen Filmkomikers Jacques Tati (inklusive dessen zärtlicher Ironie). Wunderbar auch, aber zu spärlich, die Szenen mit Pierre Richard, dem Meister der komisch-rührenden Mimik.

Nur „Titanic“ brachte mehr Publikum

Aber hauptsächlich triumphiert in „Die Sch'tis in Paris“ das billige Witzchen. Im zehn Jahre alten Vorgängerfilm „Bienvenue chez lesCh'tis“ („Willkommen bei den Sch'tis“) hat die Mischung aus kurioser Sprache, Klamauk und einem Clash der innerfranzösischen Kulturen – ein Mann aus der Provence wird zu den Sch'tis zwangsversetzt – noch besser funktioniert. Der Film war in Frankreich erfolgreicher als jeder andere heimische Film, erfolgreicher auch als jeder ausländische bisher, außer „Titanic“. Sein Titel wurde zum geflügelten Wort, man findet ihn als Überschrift einer Werbung für Nordfrankreichreisen ebenso wie eines Blogeintrags über einen Schüleraustausch. „Die Sch'tis in Paris“ liefern eine schale Fortsetzung. Nach dem furiosen Willkommensgruß wirkt das eher wie ein Adieu.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.03.2018)

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