Film- und Serientipps

Willkommen bei den Sch'tis und all den anderen: Die besten Provinzfilme und Serien auf Netflix, Amazon & Co.

Lunafilm
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Derzeit erinnern „Sch'tis in Paris“ an die Faszination des Kinos für die Eigenheiten der Provinz: Wir empfehlen Streaming-Filmausflüge ins Dörfliche.

Braunschlag

Von David Schalko, 2011
Zu sehen auf Netflix und Flimmit

Der heimische Film- und Fernsehblick auf die Provinz pendelt meist zwischen zwei Extremen: Hier das strahlende Postkartenidyll (grüne Wiesen, blauer Himmel, eitel Wonne), dort die Atmosphäre eines Friedhofs der Träume im Schatten alter Kirchtürme und dumpfer Einfamilienhäuser. In den Sechzigern war das verklärte Bild dominant, da konnte Peter Alexander noch gut lustig sein im Salzkammergut. Doch irgendwann begann der Putz zu bröckeln, und heute haben Anti-Heimatfilme wie „Die Einsiedler“ Hochkonjunktur.
Vielleicht offeriert David Schalkos Serienhit „Braunschlag“ ja eine Art Mittelweg: Mit liebevollem Zynismus (auch das gibt's) zeichnet er das verquere Sittenbild einer fiktiven Marktgemeinde im Waldviertel, die kurz vor der Pleite steht – bis der Bürgermeister (Robert Palfrader) und sein trinkfreudiger Haberer (Nicholas Ofczarek) auf die Schnapsidee kommen, eine Marienerscheinung zu faken, um das Kaff in eine Wallfahrtsgoldgrube zu verwandeln. Natürlich geht Folge für Folge alles zum Teufel. Ein Satirerundumschlag, serviert auf stilisierten, farbübersättigten Tableaus und proppenvoll mit hiesigen TV- und Leinwandveteranen (Raimund Wallisch, Nina Proll, Maria Hofstätter).

The Texas Chain Saw Massacre

Von Tobe Hooper, 1974
Zu sehen Sky

Eine gezackte Zäsur in der Horrorfilmgeschichte, und nicht nur dort. Nach diesem Film blickte die Welt mit anderen Augen auf das amerikanische Hinterland, seine einsamen Tankstellen und verfallenden Häuser, seine staubigen Straßen und finsteren Wälder. Hier regierte, so schien es, noch das Gesetz der Familie, unberührt vom moralischen Fortschritt liberaler Küstenregionen, hier wurden Fremde gar nicht gern gesehen. Der Schutzpatron des „Heartlands“ trägt eine Maske aus Menschenhaut und schwingt seine Kettensäge im wilden Sonnenuntergang. Tobe Hoopers grausamer, tragischer und schrecklich schöner Abgesang auf die letzten Mythen der Vereinigten Staaten fand zahllose Nachahmer – doch nichts geht über das Original. Sky

Willkommen bei den Sch'tis

Von Dany Boon, 2008
Zu sehen auf Amazon

„Verzeihung, ich war in Gedanken ganz weit weg. Ich wurde versetzt ins Nord-Pas-de-Calais“, entschuldigt sich der Postbeamte Philippe (Kad Merad) beim Polizisten, der ihn eben wegen Schneckentempos strafen wollte. Dieser nickt verständnisvoll – und lässt ihn ziehen. Die Vorurteile von Südfranzosen gegenüber dem Norden (und ihre Unterwanderung) bilden das komische Fundament von Dany Boons „Bienvenue chez les Ch'tis“ – nach wie vor der größte innerfranzösische Publikumserfolg aller Zeiten. Boon selbst gibt Philips nördlichen Gegenpart mit wunderlichem Akzent, anfängliche Aversion schlägt schnell in Freundschaft um. Ein Prototyp vieler Programmkinohits.

Schöne Tage

Von Antonin Svoboda, 2005
Zu sehen auf Flimmit

Die Entzauberung der österreichischen Provinz vollzog sich in der Literatur schneller als im Kino. Franz Innerhofers autobiografischer Roman „Schöne Tage“ sorgte schon 1974 für Aufruhr ob seiner Schilderung elender Lebensumstände und urwüchsiger Ausbeutungsverhältnisse am Fuß der Hohen Tauern. Fritz Lehners epische TV-Verfilmung folgte 1983 – und ist kaum weniger eindrucksvoll. Sie überträgt den harten, abgehackten Stil der Vorlage in eine schnörkellose Bildsprache, die zuweilen an den formalen Existenzialismus Robert Bressons erinnert, während die Laiendarsteller dem tristen Geschehen berückende Natürlichkeit verleihen. Ein nahezu vergessener Monolith, der seiner Wiederentdeckung harrt. 

Der Nobelpreisträger

Von G. Duprat, M. Cohn, 2016
Zu sehen auf Netflix

Der frischgebackene Literaturnobelpreisträger Daniel Mantovani (Oscar Martínez) hat seit Ewigkeiten nichts Nennenswertes mehr zu Papier gebracht. Die Zeit vertreibt er sich vor allem damit, Termine abzusagen. Bis eine Einladung aus seinem argentinischen Heimatdorf, Salas, hereinflattert: Man würde ihn gern zum Ehrenbürger ernennen. Seit vierzig Jahren war Mantovani nicht mehr an seinem Geburtsort, der ihm als Inspirationsquelle für seine berühmtesten Werke diente. Aus einer Laune heraus entscheidet er sich für einen Besuch. Der verläuft zunächst relativ harmlos – doch Stück für Stück mehren sich die Spannungen zwischen dem nunmehrigen Weltbürger und den „einfachen Leuten“.

„El ciudadano ilustre“ ist eine jener seltenen Komödien, deren Humor sich aus subtilen Ambivalenzen speist: Beim Schauen ist man sich nie ganz sicher, über wen man eher lachen soll: Über die eitle, aber betont höfliche Hauptfigur, oder über die schrulligen, aber entwaffnend ehrlichen Dorfbewohner. Diese Unentschiedenheit, die sich auch in der Schlusspointe nicht auflöst, erzählt einiges über die Distanz, die Provinzflüchtlinge im Lauf der Zeit zu ihren Wurzeln aufbauen – und die Schwierigkeit, sie zu überbrücken.

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