Still! In diesem Film herrscht Ruhe!

Im Dickicht lauern die außerirdischen Wölfe: „A Quiet Place“, derzeit im Kino.
Im Dickicht lauern die außerirdischen Wölfe: „A Quiet Place“, derzeit im Kino.(c) Constantin
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Außerirdische Wölfe regieren die Welt: In „A Quiet Place“ entwirft John Krasinski ein postapokalyptisches Szenario. Eine Paranoia-Fantasie, aber ziemlich spannend.

Ein Häuschen im Grünen, ringsum ist alles mucksmäuschenstill: paradiesische Zustände. Doch die Idylle trügt: Im Dickicht der Wälder lauern blinde Prädatoren aus dem All, deren Killerinstinkt schon beim kleinsten Laut anspringt. Die Mehrheit der Menschen haben sie bereits geschnappt, nur Gewiefte überleben. Dabei gilt vor allem eine Regel: Silentium!

„A Quiet Place“ von John Krasinski (nach Joel Edgerton wieder ein US-Nebendarsteller, der sich als Genre-Regisseur versucht) reiht sich in eine Riege von Hochkonzepthorrorfilmen, die an Kinderspiele erinnern: Der Teppich ist heiße Lava, wer draufsteigt, hat verloren. Wie in „Pitch Black“ (Meide die Dunkelheit!), „A Nightmare on Elm Street“ (Schlaf nicht ein!), „The Bye Bye Man“ (Sag seinen Namen nicht!). Oder in „Tremors – Im Land der Raketenwürmer“: Jeder, der den Erdboden betritt, wird von selbigem verschluckt.

„Tremors“ war im Herzen fast eine Kumpelkomödie, Krasinski mag's melodramatischer: Bei ihm steht eine Kernfamilie im Mittelpunkt. Die Abbotts bemühen sich als Überlebende des großen Gefressenwerdens, im Jahr 2020 allein unter extraterrestrischen Wölfen ein Fleckchen Glück zu finden. Verbarrikadiert in der Subsistenzfarm kann man sich beinahe vorstellen, alles wäre gut – solang man die Friedhofsruhe nicht stört und beim Abendessen keine Schüssel auf den Boden fliegt. Sogar Ausflüge in die nahegelegene Geisterstadt sind möglich. Wie man sich vor den Aliens schützt, hat die Sippschaft auf die harte Tour gelernt: Einst fiel ihr Jüngster den Monstern zum Opfer. Und diese sind nach wie vor hungrig.

Das Schöne am Setting von „A Quiet Place“ ist, dass es zum visuellen Erzählen zwingt. Auf Musikuntermalung verzichtet der Film zwar nicht, der Spannungsdonner grollt hier wie anderswo, aber in den haarsträubendsten Szenen zieht die Inszenierung ihre Schrauben ganz klassisch an: Der Schnitt spitzt sich zu, während sich die augenlosen, muschelohrigen Ungeheuer gräulich gurrend anschleichen, nur am Bildrand wahrnehmbar. Man denkt an „Alien“ oder die Velociraptorenszene aus „Jurassic Park“. Spielbergs Dinofilm war wohl generell ein Vorbild: Hier wie dort gibt es einen nächtlichen Angriff auf ein Auto mit Kindern darin.

Dieser kommt jedoch erst spät – Krasinski legt Wert auf einen langsamen Aufbau, um dem abschließenden Suspense-Feuerwerk mehr Wirkung zu verleihen. Damit hat er Erfolg.

Zugleich ist „A Quiet Place“ eine erzkonservative Paranoia-Fantasie: Die Welt liegt in Angst, ihre Bewohner wurden mundtot gemacht, nicht einmal in den eigenen vier Wänden können sie sich sicher fühlen, der Feind hört mit und nutzt jede Sicherheitslücke. Damit die letzte Zivilisationsbastion – eine Art Urfamilie mit liebevoll-tatkräftigem Vater (gespielt von Krasinski selbst) und tapferer, hochschwangerer Mutter (stark: Emily Blunt) – nicht fällt, müssen letztlich fast alle zu den Waffen greifen. Oder sich Waffen basteln. Auf die Behörden ist kein Verlass, die gibt's nämlich gar nicht mehr. Was eigentlich schon immer klar war, erscheint hier in aller Deutlichkeit: Die Postapokalypse taugt nicht nur zum Schreckensszenario, sie ist auch ein Sehnsuchtsort der Reaktion.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.04.2018)

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