Nicht nur Nebel im Filmwald Osteuropas

Das Filmfestival Let's Cee wirft ein Schlaglicht auf osteuropäisches Kino.

Von Wölfen bevölkertes Ödland. Bettelarme Bauern, die sich von Fledermäusen ernähren. Bleiche Ahnfrauen, die nachts durch Nebel schwanken. Schrottroboter, die ihre Schöpfer um Arbeit anbetteln. Und der Teufel hält die Fäden. So ist er, der Osten – zumindest im estnischen Düstermärchen „November“, das heute das Festival Let's Cee in Wien eröffnet. 2012 begründet, beleuchtet dieses bis 22. April Filmnationen, die hierzulande oft im Dunkeln bleiben: Das Cee im Titel steht für „Central and Eastern Europe“.

Selten ist der mitteleuropäische Blick auf die Nachbarn im Osten frei von Vorurteilen: Wild soll es dort zugehen, wie in einem dunklen Mittelalterwald. Filme wie „November“ zapfen diesen Mythos an: Regisseur Rainer Sarnet verwurstet auf Basis des satirischen Fantasy-Romans „Rehepapp“ finstere Gesellschaftsporträts des osteuropäischen Kinos zu einem folkloristisch wabernden Sittenbild, das vor allem atmosphärisch besticht – und als Zeitgeistmetapher gelesen werden kann: Aberglaube und Fake-News-Paranoia sind aus demselben Holz geschnitzt.

Neuer Frost in Russland

Auch das Siebzigerjahre-Russland in Aleksei Germans „Dovlatov“, der im Spielfilmwettbewerb des Festivals läuft, ist nebelverhangen. Formvollendet entfaltet sich darin das Panorama eines sowjetischen Künstlermilieus, das es nach kurzem Tauwetter wieder ordentlich fröstelt.

Geht slawische Sozialkritik nur indirekt? Nein, bezeugt die Dokumentarschiene: Hier werden auch Arbeiten gezeigt, die sich mit dem Rechtsruck in Österreichs Nachbarländern beschäftigen. „When the War Comes“ von Jan Gebert widmet sich der Bürgerwehr „Slovenskí Branci“ und nähert sich erstaunlich unvoreingenommen deren Mitbegründer Peter Švrek, dem Musterexemplar eines Neuen Rechten: jung, eloquent, imagebewusst und medienkompetent, die Politkarriere fest im Visier. Im Doku-Spielfilm-Hybrid „The White World According to Daliborek“ kullern die Parolen kruder: Regisseur Vít Klusák rückt einen mährischen Neonazi mit einer an Ulrich Seidl und Joshua Oppenheimer geschulten Mischung aus vorsichtiger Empathie und bissiger Parodie ins Bild. Erkenntnis: Auch der rabiate Menschenfeind will am Ende des Tages einfach nur in den Arm genommen werden. (and)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.04.2018)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.