Filmtipps

Von Tarantino bis Polanski: Cannes-Gewinner zum Streamen auf Netflix, Amazon & Co.

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In Cannes ist wieder Filmfestspielzeit, am 19. Mai wird die Goldene Palme verliehen. Wer Festival-Flair abseits der Côte d'Azur erleben will, kann so manchen bisherigen Preisträger auch im Heimkino genießen: Fünf Empfehlungen.

I, Daniel Blake

Von Ken Loach, 2016
Zu sehen auf Amazon

Bislang war es nur sieben Regisseuren (und einem Regie-Duo) vergönnt, den heißbegehrten Hauptpreis der Filmfestspiele von Cannes doppelt in Empfang zu nehmen: Billie August, Francis Ford Coppola, Jean-Pierre und Luc Dardenne, Michael Haneke, Sohei Imamura, Emir Kusturica, Alf Sjöberg – und Ken Loach, Schutzpatron des britischen Sozialrealismus. Seine erste Palme holte er sich 2006 mit dem kraftvollen IRA-Drama „The Wind That Shakes the Barley“. Zehn Jahre später folgte der zweite Streich: „I, Daniel Blake“ stach überraschend eine Riege namhafter Konkurrenten aus und belegte neuerlich, dass zeitgenössische A-Festivals und ihre Jurys die Trophäenvergabe zusehends als Plattform für politische Signalsetzung verstehen. Der Film zählt nicht zu Loachs subtilsten Arbeiten, aber doch zu seinen dringlichsten: Schnörkellos und mit gewohntem Detailgespür folgt er dem Titelhelden, einem 59-jährigen Handwerker (toll: Dave Johns), bei seiner tragikomischen Suche nach Sozialhilfe in den verwinkelten Gängen eines weltfremden Bürokratie-Labyrinths. Daniel Blake gerät sukzessive zum Wutbürger – und steht damit nicht zuletzt für eine vergessene Arbeiterschicht, die ihrem Frust mit einem Pro-Brexit-Votum Luft gemacht hat.

Pulp Fiction

Von Quentin Tarantino, 1994
Zu sehen auf Netflix, Amazon und Sky

In den Neunzigern wurde Cannes zum Geburtshelfer einer neuen Generation des US-Independent-Kinos. Schon 1989 heimste Steven Soderbergh mit „Sex, Lies & Videotape“ eine Goldene Palme ein, kurz darauf triumphierte Quentin Tarantino mit dem längst zum Status eines modernen Klassikers aufgerückten Episodenstück „Pulp Fiction“: Heute wird oft vergessen, dass der rote Teppich vor dem Palais des Festivals eine wichtige Rampe auf dem Karriereweg des Regie-Rotzbuben war, die Nobilitierung seiner stets mit Trash- und Schundkultur kokettierenden Monumental-B-Movies. Einen der wesentlichen Förderer Tarantinos (und Soderberghs) wird Cannes wohl nicht mehr so bald zu Gesicht bekommen: Harvey Weinstein.

Der dritte Mann

Von Carol Reed, 1949
Zu sehen auf Amazon

Die Goldene Palme hieß nicht immer so. Bis 1955 trug der Hauptpreis den etwas sperrigen Titel „Grand Prix du Festival International du Film“, die heutige Wedel-Form der Trophäe war noch ausständig. Und lange bevor Michael Haneke mit seinem „Weißen Band“ für heimische „Wir sind Cannes“-Schlagzeilen sorgte, gewann ein Film, der unverbrüchlich mit dem Fremdbild Österreichs verkoppelt ist, einen „Grand Prix“: Carol Reeds legendärer Film Noir „Der dritte Mann“, mit Riesenrad, Kanal-Verfolgungsjagd und Orson Welles. Dass sich diese Düsterperle ihren Kultstatus redlich verdient hat, muss hier wohl nicht weiter ausgeführt werden.

Der Pianist

Von Roman Polański, 2002
Zu sehen auf Sky

Ab und zu dient Cannes als Sprungbrett für die Academy Awards. So konnte Roman Polański mit „Der Pianist“, seinem eindringlichen Holocaust-Drama auf Basis der Autobiografie von Władysław Szpilman, erst an der Croisette reüssieren – und wurde dann mit dem Regie-Oscar ausgezeichnet. Selbst konnte er diesen nicht abholen: In den USA ist er nach wie vor wegen Vergewaltigung einer Minderjährigen angeklagt (kürzlich flog er deshalb auch aus der Oscar-Academy). Insofern ist der Sieg des „Pianisten“ auch ein Sinnbild für das strittige Cannes-Credo, die Kunst stets über den Ruf des Künstlers zu stellen. Aktuell gerät diese Haltung immer stärker in die Kritik; Wohl auch aus diesem Grund lief Polanskis letzter Festivalbeitrag 2017 außer Konkurrenz.

Die Kraniche ziehen

Von Michail Kalatosow, 1957
Zu sehen auf Youtube

Von seiner Konzeption her ist Cannes ein Völkerverständigungsevent, das Filmkunst über nationale und politische Grenzen hinweg hochhalten will. Die erste Edition fand 1946 statt. Bezeichnenderweise wurden damals ganze neun Filme mit dem Hauptpreis bedacht – darunter auch einer aus Sowjetrussland, Friedrich Ermlers „Die große Wende“. Doch der erste richtige (und nachhaltige) Sowjet-Triumph gelang Michail Kalatosow mit seinem eindrucksvollen Kriegsmelodram „Die Kraniche ziehen“. Der Film gilt nach wie vor als eines der größten Meisterwerke der sowjetischen Kinogeschichte, und man versteht, warum: Die überwältigende Expressivität der Kameraarbeit Sergei Urussewskis, das dramatische Spiel mit Licht und Schatten, die wuchtige Attraktionsmontage – all das ergießt sich über den Zuschauer wie Wellen eines stürmenden Gefühlsozeans. Hier haben die mitreißenden Plansequenzen zeitgenössischer Kameravirtuosen wie Emmanuel Lubezki ihren Ursprung – wobei sie in Kalatosows späteren Werken „Ein Brief, der nie ankam“ und „Soy Cuba“ noch einmal übertroffen wurden. Zu sehen ist der Film kostenfrei und untertitelt auf dem offiziellen Youtube-Kanal des russischen Studios Mosfilm.

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