„Star Wars“: Wie Han Solo zu seinem Nachnamen kam

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„Solo: A Star Wars Story“, der in Cannes seine Europa-Premiere feierte, erzählt den Werdegang des Sternen-Schmugglers Han Solo als Abenteuer mit Western-Anklängen. Das ist, je nach Sichtweise, atemlos oder stressig.

Es war leicht zu übersehen, das kleine Fleckchen Wirklichkeit in der Glitzer- und Glamour-Blase. Vor der Cannes-Premiere von „Solo: A Star Wars Story“ streckte die franko-libanesische Schauspielerin Manal Issa auf dem roten Teppich kurz ein Schild mit der Aufschrift „Stop the Attack on Gaza!!“ in die Höhe – ein Verweis auf die jüngste Nahost-Gewalteskalation im Zuge der Verlegung der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem. Und eine aktivistische Erinnerung an die Welt da draußen, die an der Croisette zwar immer wieder auf der Leinwand aufblitzt, aber dennoch sehr weit weg wirkt im Kinotrubel unter Palmen.

Allzu viele dürfte die Aktion nicht aus der Fassung gebracht haben. Die Aufmerksamkeit der Schaulustigen war eingenommen von der Landung der größten Blockbuster-Reihe der Gegenwart an der Côte d'Azur: Die Stars des jüngsten Weltraumsagabeitrags präsentierten sich frohgemut den Kameras, hinter ihnen eine Sturmtruppen-Brigade. Zuvor hatte sich schon Pelzknäuel Chewbacca dem Blitzlichtgewitter gestellt.

So sensationsträchtig, wie es sich Cannes-Intendant Thierry Frémaux vielleicht gewünscht hätte, war die Hollywood-Invasion der Filmfestspiele aber nicht: Die Weltpremiere hatte Studio-Gigant Disney schon am 10. Mai in Los Angeles über die Bühne gebracht; in den Kinos startet der Film erst nächste Woche. Damit sitzt sein Cannes-Gastspiel gewissermaßen zwischen den Stühlen. Für viele Filmjournalisten war es immerhin ein erfreulich zerstreuender Abstecher in eine weit, weit entfernte Galaxis zwischen Wettbewerbspflichtsichtungen. Enttäuscht wurden sie nicht.

Achtung: Die Kritik enthält allgemeine Angaben zum Inhalt des Films. Wer davon nichts erfahren möchte, sei vor dem Weiterlesen gewarnt.

Wie auf Weltraumwasserskiern

„Solo“ stürzt sein Publikum ohne Reißleine in eine „gesetzlose Zeit“, wie es im Vorspann heißt, eine Ära lange vor dem „Erwachen der Macht“ – man denkt unmittelbar an das Westerngenre mit seinen staubigen Kleinstädten und nomadischen Revolverhelden. Ebenso ein Revolverheld muss hier schließlich etabliert werden: Erzählt werden die Lehr- und Wanderjahre des jungen Han Solo, verkörpert von Alden Ehrenreich, der bisher (passenderweise) vor allem mit seiner Rolle als aufstrebender Westerndarsteller in der Coen-Brüder-Satire „Hail Caesar!“ für Aufsehen sorgte.

Wir begegnen dem späteren Sternenschmuggler erstmals auf den Straßen seiner korrupten Geburtsmetropole Corellia, wo er als Ganoven-Greenhorn ums Auskommen – und ums Rauskommen mit Freundin Qi'ra (Emilia Clarke) – kämpft. Eine Kapsel Super-Sprit soll die Flucht gewährleisten, doch an der Grenze werden die Liebenden getrennt. In seiner Not heuert Han beim Imperium an, bekommt mangels Familienzugehörigkeit seinen kultigen Nachnamen aufgedrückt und mausert sich bald zum Spitzenpiloten.

Doch als Einzelgänger von Natur aus hat er es schnell satt, den braven Soldaten zu spielen. Eine Diebesbande unter der Leitung des durchtriebenen, aber wohlwollenden Tobias Beckett (immer gut: Woody Harrelson) bietet eine Exit-Strategie – und nimmt Solo unter ihre Fittiche. Von da an wird man wie auf Weltraumwasserskiern durch ein Abenteuer gezogen, das sich nur selten Verschnaufpausen gönnt.

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Das hat seine Vor- und Nachteile: Besonders die erste Hälfte des Films ist dermaßen dicht gefüllt mit Effekten, Figuren, Actionsequenzen und Ausstattungsdetails, dass man fast nicht hinterherkommt. Mehr noch als „Rogue One“, das erste Unterkapitel der aktuellen „Star Wars“-Neuauflage, wirkt „Solo“ wie ein übermütiger Fan-Film. Sein halsbrecherisches Tempo und Reizüberflutungs-Dauerfeuer ist je nach Sichtweise atemlos – oder stressig. Die Schauspieler haben es zwischen all dem Getöse zunächst nicht leicht, Eindruck zu machen. Dafür erfreut die schnörkellose Geradlinigkeit der Handlung im Vergleich zu den oft erratischen Verzweigungen gewichtigerer Blockbuster-Epen.

Die Fußstapfen Harrison Fords

Aber irgendwann groovt man sich einigermaßen ein, und ein paar clevere Szenen – die meisten davon unausweichliche Erstbegegnungen mit bekannten Gesichtern (Chewbacca sowie der von Donald Glover smart-charmant gespielte Schlawiner Lando Calrissian) und Fluggeräten (Millennium Falke!) – entwickeln angenehm zwanglosen Schwung. Alden Ehrenreich sammelt bis zum Schluss immer mehr Charakter- und Charisma-Punkte. Ob er die undankbare Aufgabe, in die Fußstapfen Harrison Fords zu treten, zufriedenstellend bewältigt hat, muss letztlich jeder für sich beurteilen. Schade nur, dass der Film einem permanent einflüstert, wen man vor sich hat: Solo ist ein Befehlsverweigerer und Freigeist, schreit gefühlt jede zweite Dialogzeile. Ironisch: Genau dadurch ist die Figur gezwungen, sich einem bestehenden Image zu fügen. Widerspruchslos.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.05.2018)

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