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Die besten modernen Heimatfilme auf Netflix, Amazon und Flimmit

Alpensaga
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Vor 175 Jahren wurde Peter Rosegger geboren. Er schilderte in seinen Erzählungen auch die Entbehrungen des Landlebens. Moderne Heimatfilme tun das ebenso: Fünf Empfehlungen, in denen keine Berggipfel glitzern.

Alpensaga

Von Dieter Berner, 1976-1980
Zu sehen auf Flimmit

Wenn das Leben auf dem Hof für Peter Rosegger nicht so einsam und hart gewesen wäre, hätte es der Waldbauernbub aus seinem autobiografischen Novellenzyklus wohl nie nötig gehabt, eine Obsession für strahlende Berglandschaften zu entwickeln. Genauso wie die vom Luftkrieg verschont gebliebenen Landstriche in den Heimatfilmen der 1950er-Jahre wohl nie so grell geleuchtet hätten, wenn es nichts auszublenden oder zu verdrängen gegeben hätte. Im Gegensatz dazu haben Peter Turrini, Wilhelm Pevny (beide Drehbuch) und Dieter Berner (Regie) in ihrer 6-teiligen „Alpensaga“ auf kompensatorische Provinz-Nostalgie und Postkarten-Idylle verzichtet. Der Alltag der Dorfgemeinschaft, die einen Zeitraum von fast 50 Jahren durchläuft (1899 bis 1945), ist von Plackerei, Missständen, Abhängigkeiten und Klassenunterschieden geprägt. „Salzsäure auf die bäuerliche Bevölkerung“, hieß es damals. Dabei besticht die Serie gerade durch ihren ebenso empathischen wie unverblümten Blick auf selbige. Je nach ökonomischer Situation sind sie mal Opfer, mal Mitläufer, mal Täter. Nichts bleibt statisch wie ein Gebirgsmassiv.

Die Glocke ruft

Von Franz Antel, 1960
Zu sehen auf Flimmit

Der Kulturkampf zwischen einem profitsüchtigen Kinobetreiber, der die Karikatur eines raffgierigen Kapitalisten abgibt, und einem wohltätigen Pfarrer, der sich an Spenden vergreift, um seine Schäfchen vor dem Ruin zu bewahren, bleibt in „Die Glocke ruft“ eine reine Behauptung. Die von Sportflitzern und Fiakern befahrenen Straßen sind zur Sonntagsmesse nach wie vor menschenleer – daran haben die vom Geschäftsmann gezeigten Erotikfilme nichts geändert. Wo Traditionalismus und Technologie, Heiligenverehrung und Hedonismus so miteinander harmonieren, ist der Streit zwischen der finanziellen und geistlichen Autorität im Dorf dementsprechend schnell beigelegt.

Peter and the Farm

Von Tony Stone, 2016
Zu sehen auf Netflix

Peter ist ein griesgrämiger, trunksüchtiger und kein Blatt vor den Mund nehmender Bio-Bauer, der im US-Bundesstaat Vermont allein eine Farm betreibt. Zugleich ist der Althippie aus dem poetischen Doku-Porträt von Tony Stone aber auch Hobby-Lyriker und -Philosoph. Seine bloß auf der Tonspur zu hörenden Naturgedichte sind schön, düster und vulgär zugleich. Während die druckreifen Aphorismen, die er vor sich hinbrummt, von einem bewegten Leben zeugen. Er werde immer langsamer, während das Unkraut um ihn herum immer schneller werde.

Von Menschen und Pferden

Von Benedikt Erlingsson, 2013
Zu sehen auf Amazon

Absurd, sich ausgerechnet in einem Land beobachtet fühlen zu müssen, das fast so groß ist wie das Vereinigte Königreich – aber so wenig Einwohner zählt wie Bochum. Umso mehr, wenn man zu den 40% zählt, die nicht in Reykjavík, sondern verstreut in der Peripherie von Island leben. Dieser skurrile, ästhetisch eigenwillige Heimatfilm beginnt mit einem Date, das von der Nachbarschaft mit dem Fernstecher bespannt wird. Als sich die Stute des Mannes und der Hengst der Frau miteinander paaren, sind beide in Verlegenheit gebracht – nur eine von vielen Episoden, in denen Pferde eine tragende Rolle spielen. Eines wird zum Jet-Ski umfunktioniert, ein anderes erschossen, um als Schlafsack zu dienen. Sie helfen der trinkseligen, wortkargen und unbeholfenen Landbevölkerung aus der Patsche oder erinnern sie an ihre unterdrückten Triebe, während ihre spiegelnden schwarzen Augen ein mysteriöses Leitmotiv abgeben.

Das weiße Band

Von Michael Haneke, 2009
Zu sehen auf Amazon

Norddeutschland, 1913/1914: Kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs gerät der geordnete Alltag einer protestantisch geprägten Dorfgemeinschaft in Unruhe, als sich rätselhafte Unfälle häufen und von einer Reihe offensichtlicher Verbrechen abgelöst werden, deren Urheberschaft im Dunkeln bleibt. „Wer tut nur so etwas?“, fragt das zartbesaitete Kindermädchen den überfragten Volksschullehrer, der in seiner warmherzigen Art eine Ausnahmeerscheinung in einer Gemeinschaft darstellt, in welcher der Pastor den Ochsenziemer schwingt, wenn sein Nachwuchs unartig gewesen ist, und der Baron seine Untertanen zu harter und schlecht bezahlter Feldarbeit nötigt. Genau wie „Die Alpensaga“ ist auch „Das weiße Band“ ein sozialkritischer Gegenentwurf zum traditionellen Heimatfilm – nur die Bilder sind andere: Nicht so schmutzig, sondern in einem kristallinen Schwarzweiß gehalten. Kalt und dennoch malerisch. Andeutungsvoll statt direkt – aber vom selben Bemühen getragen, alle Verklärung und jeden Kitsch beiseite zu lassen, um sich mit historischer Genauigkeit auf die realitätsnahe Beschreibung eines geschlossenen Systems zu konzentrieren, das bereits den Keim des Faschismus in sich trägt.

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