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Film: Lady Gagas ungeschminkte Neugeburt

A Star is Born
A Star is BornWarner Bros. Pictures
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In „A Star is Born“ spielt Lady Gaga eine aufsteigende Sängerin – nur ohne die Extravaganz, die ihre eigene Karriere im Popzirkus auszeichnete. Eine Rolle, die nachwirken soll.

Das sei vielleicht nicht seine Art von Bar, sagt ein verdutzter Fan zu Jackson Maine, als dieser durch die Beisltür hereintorkelt. Doch den berühmten Country-Sänger kümmert nicht, wo er gelandet ist. Hauptsache, die nächtliche Zechtour kann weitergehen. Geistesabwesend lauscht er den Dragqueens auf der Bühne, in Gedanken schon beim nächsten Drink. Bis eine junge Frau ins Rampenlicht tritt, „La vie en rose“ intoniert – und den Beduselten aus den Designerschuhen haut. Eine bescheidene Erscheinung, aber diese Stimme, diese Inbrunst! Wer hätt's gedacht?

Beim Kinopublikum dürfte die Überraschung ausbleiben. Schließlich steht auf den Filmplakaten unübersehbar: Lady Gaga. Und die schillernde Popdiva ist auch ungeschminkt als solche erkennbar. „A Star is Born“ heißt der Film, in dem sie ihre erste Hauptrolle anprobiert. Für Gaga geht es hier um eine Neugeburt – und zwar als ernst zu nehmende Schauspielerin.

Die Schüchterne mit der großen Nase

Der Stoff (abstürzender Showgeschäft-Zyniker verhilft Jungtalent zum Großerfolg) wurde seit 1937 dreimal verfilmt. Ursprünglich spielte er in Hollywood, nun schon zum zweiten Mal im Musikbusiness. Aus Gaga-Sicht clever gewählt: Im Rollenfach der Unbedarften kann sie ihr extravagantes Image kurzzeitig vergessen machen, die Performance in den Vordergrund rücken und dennoch mit Gesangskraft punkten.
Natürlich löst sich „A Star is Born“ nicht komplett von Gagas Nimbus, provoziert oft den Vergleich. Die Sängerin gibt Ally, eine schüchterne Küchengehilfin, die sich für ihre große Nase schämt – bis ihr Entdecker Maine (Bradley Cooper, der auch Regie geführt hat) selbige liebkost. Eine Hommage an Barbra Streisand, die in der 1976er-Fassung der Story zu sehen war, aber auch an Gagas eigenen Popzirkus-Aufstieg trotz unkonventioneller Gesichtszüge.

Auch Allys anfänglicher Freundeskreis ist kein Zufall, Gaga gilt als Ikone der queeren Szene. Wobei Film und Hauptfigur selbst eher farblos bleiben, etwas mehr Flitter und Verrücktheit hätten sie durchaus vertragen. Gagas bisherige Laufbildauftritte (etwa in der Serie „American Horror Story“) waren exzentrischer. Allerdings kann auch diese „Entzauberung“ als Versuch gewertet werden, Fans den parallelen Imagewechsel ihres Idols zu mehr Bodenständigkeit schmackhaft zu machen. Und im Kontrast zu Coopers Altrocker wirkt Ally immer noch frisch.

„Tell me something, boy, aren't you tired trying to fill that void?“, trällert sie. Ihr Stern strahlt immer heller, seiner fällt. Der Country-Mann, dessen Name nach verstaubter US-Provinz klingt, dankt ab und überlässt einer Dame von Welt die Zukunft: Ganz unpolitisch ist das nicht. Hinter der Kamera haben freilich alle was davon: Cooper avanciert zum Regisseur, während Gagas Schauspielkarriere nun wirklich abheben könnte. Auch ohne Kostümierung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.10.2018)

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