Julia Roberts im Psycholabor: Homecoming

Kellnerin Heidi (Julia Roberts) beschleicht der Verdacht, sie könnte etwas Unverzeihliches getan haben.
Kellnerin Heidi (Julia Roberts) beschleicht der Verdacht, sie könnte etwas Unverzeihliches getan haben.(c) Amazon
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Im Soft-Thriller „Homecoming“, der ersten Amazon-Serie mit Julia Roberts, geht es um Experimente an Exsoldaten. Ab 22.2. auch in der deutschen Synchronfassung .

Dieses Lächeln! Wenn Heidi die Neuankömmlinge begrüßt, strahlt sie übers ganze Gesicht und bedankt sich erst einmal mit einem liebenswürdigen „Danke, dass Sie für unsere Sicherheit gesorgt haben“ – denn ihre Klienten sind Exsoldaten, die von ihren Einsätzen mit einer posttraumatischen Belastungsstörung in die USA heimgekehrt sind. Heidi entwaffnet sie alle mit ihrer Freundlichkeit, denn auch sie ist überzeugt, dass den Männern in dieser von der Regierung bereitgestellten Einrichtung geholfen werden soll . . .

Dieses Lächeln! Julia Roberts hat es nicht verlernt. Die einst bestbezahlte weibliche Schauspielerin Hollywoods ist für ihre erste Serienhauptrolle ins Streaming-Fach gewechselt. Als Heidi zieht sie alle Register – und das ist weit mehr als lächeln: Sie ist die leicht zwanghafte Sachbearbeiterin in High Heels und Etuikleid, die über die ständigen Entwertungen durch ihren Vorgesetzten erhobenen Hauptes hinwegschreitet. Sie ist das in beruhigendem Therapeutenton säuselnde Gegenüber, dem die Patienten ihre Kriegserlebnisse und Albträume offenbaren. Und sie ist die verhärmt vor sich hin starrende Kellnerin, die sich an ihren brisanten Job für das Projekt „Homecoming“ nicht mehr erinnern kann . . .

Ständig ist das Ekel von Chef am Telefon

Wie es dazu kommt, das erzählt Regisseur Sam Esmail („Mr. Robot“) in halbstündigen Filet-Häppchen, die man sich an einem freien Tag problemlos in einem Stück genehmigen kann. Esmail bleibt dabei immer auf seinen Star konzentriert, wechselt aber permanent zwischen den zwei Erzählsträngen: Da ist die Stiletto-Heidi des Jahres 2018, die durch die Gänge der „Homecoming“-Zentrale eilt, ständig das Ekel von Chef am Telefon, die den Soldaten Medikamente in steigenden Dosierungen verabreichen muss und die – zunehmend misstrauisch geworden – just an dem Tag den Dienst quittiert, an dem Walter, ihr wichtigster Patient, verschwindet. Und dann ist da die Kellnerinnen-Heidi von 2022, die peu-à-peu draufkommt, dass mit ihrem damaligen Arbeitgeber irgendetwas nicht gestimmt hat, und die der Verdacht beschleicht, sie selbst könnte etwas Unverzeihliches getan haben . . .

Esmail verpasst diesem Soft-Thriller eine ganz spezielle Atmosphäre – und Julia Roberts ist hier nicht die einzige Topbesetzung. Die chic-düstere „Homecoming“-Architektur mit ihren dunklen Wandtäfelungen, den schalen Lichtquellen und den geometrischen Stiegenaufgängen könnte in jede Hitchcock-Neuverfilmung passen. Heidis Sitzungen mit dem Patienten Walter Cruz (charmant: Stephan James) sind von zunehmender Intimität, es knistert zwischen den beiden. Heidis manischer Boss Colin (Bobby Cannavale) wirkt mit den gegelten Haaren und der aufgesetzten Freundlichkeit eines Gemüsehobelverkäufers passenderweise ziemlich retro – so wie der Splitscreen, wenn er seine Mitarbeiterin am Telefon wieder einmal zurechtweist. Aus der Vogelperspektive verfolgt der Zuschauer hingegen den Weg des einsamen Ermittlers (Shea Whigham) durch das weitläufige Archiv, wo er auf der Suche nach Indizien für die Machenschaften bei „Homecoming“ ist.

Vielleicht glänzt das alles nicht ganz so wie mancher Kinohit von Julia Roberts. Aber das Seriendebüt ist ihr gelungen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.11.2018)

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