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Spannung auf engstem Raum: Die besten Kammerspielfilme auf Netflix, Amazon & Co.

Columbia Pictures
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Draußen wird es kälter, der Drang, abends zuhause zu bleiben, nimmt Überhand. Für die Einkehr vor dem Bildschirm empfehlen wir fünf Kammerspielfilme: vom Gefängnisthriller bis zum Jugenddrama.

Free Fire

Von Ben Wheatley, 2016
Zu sehen auf Sky

Die Grenzen dessen, was ein „Kammerspiel“ sein kann, sind ironischerweise ziemlich weit gesteckt. Seinen Ursprung hat der Begriff im Theater und bezieht sich wie die „Kammermusik“ auf die Nutzung höfischer Gemächer als Schauplatz exklusiver Lustbarkeiten; landläufig assoziiert man ihn mit Intimität, dem sprichwörtlichen „kleinen Rahmen“ und eindringlicher Auswalzung turbulenter Innenleben vor spärlicher Kulisse – am besten einer buchstäblichen „Kammer“. Namen wie Ibsen, Tschechow und Strindberg kommen in den Sinn, meisterhaftes Schauspiel. Im Kino war dem lange Zeit nicht anders: Frühe Kammerdramen schlossen ebenso an bürgerliche Bühnentraditionen an wie die Filme Ingmar Bergmans. Doch mittlerweile spielen etliche Filme mit den Konventionen des Genres – oder treiben sie ins absurde Extrem. Ein Musterbeispiel: „Free Fire“ von Ben Wheatley. Als Hauptort des Geschehens dient darin eine alte, verlassene Lagerhalle. Geredet wird nicht viel, geschossen umso mehr. 1978: Zeit schriller Anzüge und politischer Spannungen. Ein IRA-Waffendeal in Boston eskaliert aufgrund strapazierter Egos. Im folgenden Kreuzfeuer gehen alle Allianzen flöten: Eine Anti-Action-Komödie, die fast nur aus Showdown besteht.

Panic Room

Von David Fincher, 2002
Zu sehen auf Netflix und Sky

Einer von Hitchcocks markantesten Filmen heißt „Cocktail für eine Leiche“, wirkt wie aus einem schnittfreien Guss und spielt im Inneren eines New Yorker Apartments. Hitchcock-Erbe David Fincher geht in „Panic Room“ nicht ganz so weit, beschränkt seinen Handlungsradius aber über weite Strecken auf das Innere einer großen New Yorker Wohnung – und den titelgebenden Rückzugsraum, in den sich eine Mutter (Jodie Foster) und ihre Tochter verkriechen, als sie von Räubern bedrängt werden. Nur wollen die Eindringlinge etwas aus dem Safe, der sich in besagtem Raum befindet – ein spannendes Katz-und-Maus-Spiel beginnt. Schmankerl am Rande: einer der ersten digitalen Kameraflüge.

Das Loch

Von Jacques Becker, 1960
Zu sehen auf Amazon

Besondere Dringlichkeit eignet Kammerspielen, die ihren Protagonisten die Flucht verweigern. Manchmal gibt es dafür keinen ersichtlichen Grund, wie in Luis Buñuels „Würgeengel“ – und manchmal ist die Kammer eine buchstäbliche Kerkerzelle. In Jacques Beckers letztem Film, „Le trou“, müssen sich Knastinsassen zwecks Ausbruchs zusammenraufen. Inspiriert von Robert Bressons existenzialistischem Klassiker „Ein zum Tode Verurteilter ist entflohen“ konzentriert sich die asketische Regie auf die Knochenarbeit des Tunnelgrabens und die Bemühung der Gefangenen, ihre Zweckgemeinschaft vor dem Kollaps zu bewahren. Ein karges, kompromissloses Meisterwerk.

8 Frauen

Von François Ozon, 2002
Zu sehen auf Amazon

„8 Frauen“ erfüllt zwar das Kriterium des Genres, an einem einzigen Schauplatz zu spielen (ein ringsum zugeschneites Herrenhaus in der Provinz), aber den Leitlinien des klassischen Kammerspielfilms (psychologische Glaubwürdigkeit, Realismus, Naturalismus) widerspricht die Parodie auf Agatha-Christie-Krimis, Douglas-Sirk-Melodramen und Studioära-Musicals radikal. Regisseur François Ozon lässt stattdessen acht französische Leinwanddiven, zu denen unter anderem Catherine Deneuve, Fanny Ardant und Emmanuelle Béart zählen, in extravaganter Garderobe durch künstliche Kulissen und einen lächerlichen Whodunit-Plot schweben und stolpern. Und das mit voller Absicht. Ein selbstironisches Camp-Kammerspiel.

The Breakfast Club

Von John Hughes, 1985
Zu sehen auf Netflix

Auf begrenztem Raum beschleunigen sich oft zwischenmenschliche Dynamiken. Geheimnisse werden bloßgelegt und offenbart. Unerwartete Gefühle wallen auf. Fassaden fallen. In vielen Kammerspielen wird dieser Vorgang als verhängnisvoll für die Charaktere beschrieben und vom Publikum mit Fremdscham beobachtet. Nicht jedoch in „Breakfast Club“, dem Coming-of-Age-Meisterwerk von John Hughes, in dem zugelassene Konflikte und seelische Selbstentblößungen als wahrhaftig und kathartisch dargestellt werden. An einem unterrichtsfreien Samstag zu einer achtstündigen Nachsitzsession in der Highschool-Bibliothek verdonnert, begegnen sich eine Schulhofprinzessin, ein Athlet, ein Rebell, eine Außenseiterin und ein Streber erstmal mit der statusbedingten Verachtung füreinander. Bis sie beginnen, die Andersartigkeit des jeweils anderen faszinierend, spannend, reizvoll zu finden. Eine utopische Gemeinschaft aus Verschiedenen statt aus Gleichen entsteht. Und nein, das Herz stirbt nicht, wenn man erwachsen wird, wie die pessimistische Eigenbrötlerin in der Gruppe fürchtet – zumindest nicht unumkehrbar, wie die vom Film ausgelöste Euphorie andeutet, die sich aus tiefster Melancholie herausschält.

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