Wie Julia Roberts einen Film rettet

Diesmal werde er nicht rückfällig, sagt der drogenkranke Ben – und seine Mutter will ihm glauben, kann es aber nicht. Julia Roberts und Lucas Hedges überzeugen in einem Familiendrama, das sich sonst nicht allzu sehr um Glaubwürdigkeit schert.
Diesmal werde er nicht rückfällig, sagt der drogenkranke Ben – und seine Mutter will ihm glauben, kann es aber nicht. Julia Roberts und Lucas Hedges überzeugen in einem Familiendrama, das sich sonst nicht allzu sehr um Glaubwürdigkeit schert.(c) Mark Schafer
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Das Drogendrama „Ben Is Back“ ist dank seiner Schauspieler sehenswert: Julia Roberts spielt die entschlossene Mutter eines Suchtkranken (Lucas Hedges) auf Rettungsfeldzug.

Wo willst du liegen?“, plärrt Holly ihren Sohn an. Sie ist wütend und verzweifelt. Energisch hat sie das Auto mitten auf dem Weg abgestellt, Ben aus dem Beifahrersitz gezerrt und auf die Wiese gestoßen. Da steht er jetzt, zwischen Grabsteinen und Schneeflecken, leicht perplex, aber einsichtig. Er weiß, dass die Sorge seiner Mutter berechtigt ist. Wo er liegen wolle, fragt sie ihn. Neben Opa bekomme er keinen Platz, dieser liege in Premiumlage, so etwas stehe einem nach einer Überdosis nicht zu.

Julia Roberts kann in dieser Szene aufdrehen, überhaupt in diesem Film: Man sieht sie in „Ben Is Back“ als fürsorgliche Mama, die ihre Tochter bei der Chorprobe nur mit Blicken zum Lachen bringt, als strenge Gemahlin, die ihrem Mann am Telefon klarmacht, dass er ohne Bio-Cranberrys gar nicht nach Hause kommen soll, als toughe Familienmanagerin – aber eben auch als eine Frau, die vor Verzweiflung um ihren suchtkranken Sohn (Lucas Hedges) Rotz und Wasser spuckt und die mit erstarrter Miene durch die Nacht fährt, um ihn zu suchen, entschlossen, ihn wieder zu retten, wo auch immer er diesmal reglos liegen mag.

„Ben Is Back“ erzählt weniger von Drogensucht, sondern vielmehr darüber, was die Sucht eines Menschen mit seinem Umfeld anstellt (ein Thema, das Hollywood derzeit beschäftigt, auch „Beautiful Boy“ mit Steve Carell und Timothée Chalamet erzählt ab 25. Jänner im Kino davon). Ben ist seit 77 Tagen clean, dank teurer Therapie in einer Klinik, die er noch nicht verlassen sollte. Aber zu Weihnachten steht er plötzlich in der Einfahrt. Die Familie ist darob gespalten: Seine Besuche gingen in der Vergangenheit selten gut aus, zu viele Reize gibt es in dieser Stadt, in diesem Haus, die ihn rückfällig werden lassen könnten. Schließlich einigt man sich: 24 Stunden soll Ben mit der Familie verbringen. Holly lässt ihn nicht aus den Augen, versteckt alle Medikamente und begleitet ihn sogar aufs Klo: Wie er sich dieser Entmündigung fügt, hat fast etwas Anrührendes.

Irrfahrt durch die Unterwelt

Aber bald treten die Altlasten seiner Abhängigkeit hervor: schiefe Blicke von verbrauchten jungen Männern, die keine offene Rechnung vergessen; die Nachbarin mit den verheulten Augen, die der Anblick Bens an ihre tote Tochter erinnert. Wäre Ben schwarz, er säße längst im Gefängnis, sagt sein Stiefvater. Ein Gewaltakt setzt schließlich eine Handlung in Gang, bei der Ben alles wiedergutmachen will und Holly das destruktive Ausmaß seiner Sucht erst richtig bewusst wird.

Die Fallen des Melodramatischen umschifft US-Regisseur Peter Hedges, bisher vor allem als Drehbuchautor von Familiengeschichten aufgefallen (etwa „Gilbert Grape – Irgendwo in Iowa“), indem er sein unstetes Drama hier mit Elementen wie aus einem Thriller ausarten lässt. Eine rasant inszenierte Irrfahrt durch die Drogen-Unterwelt und die kalten Farben der Szenerie sorgen für frostige Anspannung – wenn auch nicht für Glaubwürdigkeit. Sehenswert ist der Film aber wegen seiner Darsteller: Lucas Hedges („Manchester By The Sea“), der Sohn des Regisseurs, brilliert in seiner komplexen Rolle; Julia Roberts zeigt in beachtlicher Manier die Facetten einer Mutter, die ihren Sohn liebt, ihm aber nicht trauen kann.

In einer denkwürdigen Szene macht sie den Kinderarzt zur Schnecke, der Ben einst mit Schmerzmitteln in die Sucht getrieben hat. Die Szene erinnert an die größere Wirklichkeit, die den Film abseits seiner abenteuerlichen Stilausschweife aktuell macht: Die Opioid-Krise in den USA fordert mittlerweile mehr Todesopfer als Waffengewalt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.01.2019)

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