„Die Frau des Nobelpreisträgers“: Preis für einen Betrug

Glenn Close und Jonathan Price als Ehepaar.
Glenn Close und Jonathan Price als Ehepaar.
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Glenn Close in einer ihrer stärksten Rollen: Im Film „Die Frau des Nobelpreisträgers“ spielt sie eine alte Dame, deren Mann den Literaturnobelpreis erhält – für ihre Bücher.

Schock in Stockholm? Der neue Literaturnobelpreisträger Joseph Castleman steht auf der Bühne und verkündet, dass die ganze Ehre, die ihm hier zuteilwerde, in Wahrheit einem anderen Menschen gebühre: seiner Frau, Joan.

Wird Joseph im Film „Die Frau des Nobelpreisträgers“ (ab 8. 2. im Kino) nun gestehen, dass seine Bücher zum größten Teil von ihr geschrieben sind? Dass Joan, die vor Jahrzehnten keine Chancen sah, als weibliche Autorin Erfolg zu haben, zu seiner Ghostwriterin wurde? Nein, er flicht sich mit der folgenden Hymne den nächsten Lorbeerkranz, diesmal als großer Liebender – und versucht zugleich, seine Frau für den Ruhm zu entschädigen, den er einheimst: „Ohne sie bin ich nichts. Sie ist meine Vernunft, mein Gewissen, meine Inspiration, meine Muse, meine Liebe, meine Seele!“ Die Anwesenden spenden gerührt Spending Ovations – dem Mann auf der Bühne. Und unten sitzt Glenn Close als gepriesene Ehefrau zwischen den Gästen und wirkt doch unendlich weit entfernt, allein mit ihrem Geheimnis, dem Gefühl unfassbarer Kränkung und einem in diesen Sekunden reifenden Entschluss.


Das Betthüpfen der Greise. Überraschend, dass so viele überrascht waren, als der Golden Globe für die beste Darstellerin im Jänner an Glenn Close als „The Wife“ (so der englische Filmtitel) ging: Die Rolle der alten Dame, die nach der Nachricht vom Nobelpreis im Nachthemd mit Joseph auf dem Bett herumhüpft und ihn dann als Anhängsel nach Stockholm begleitet, bis sie während der Nobelpreisehrung endgültig beschließt, ihn zu verlassen, ist eine der stärksten ihrer Karriere.

Überraschend auch, dass manche (männliche) Kritiker in der schwedisch-US-amerikanischen Koproduktion eine in Schwarz-Weiß gemalte, ja gegen „die Männer“ geschriebene Opfergeschichte sahen. Zumindest in dem, was seine Substanz ausmacht, in der Schilderung der Geschichte von Joan und Joseph, ist dieser Film genau das eben nicht.


Die verführerische Walnuss. Dafür sorgt zum Teil der Brite Jonathan Pryce als Joseph, bekannt aus Filmen wie „Brazil“ und „Fluch der Karibik“ oder aus der Serie „Games of Thrones“. Bei diesem gebrechlichen Mann mit weichem Blick, der sich im Alltag auf die Hilfe seiner geliebten Ehefrau verlässt, wird die egozentrische Ader nur momentweise sichtbar, vor allem in der Gnadenlosigkeit gegenüber seinem ebenfalls Bücher schreibenden Sohn. Hinter den Kulissen seines auf dem Zenit angelangten Ruhms wirkt er schwach. Fast verhilft ihm dessen Aura noch dazu, eine junge Fotografin in seine Arme zu treiben, doch der Zuschauer weiß: Die melancholischen Joyce-Zitate, die mit persönlicher Widmung bekritzelte Walnuss sind seine alte Masche. Und als der große Mann plötzlich dringend Pillen braucht, wirkt er mit einem Mal auf die junge Frau nur noch erbärmlich.

Vor allem Glenn Close aber macht den Film so stark. „Wollen Sie meine Geschichte auf eine Opfergeschichte reduzieren?“, fragt sie den jungen Mann, der sie aushorchen und ein Enthüllungsbuch über sie und ihren Mann schreiben will. „Ich bin viel interessanter als das!“ Dem Publikum muss sie das nicht sagen; sie beweist es in jedem Moment. Wenig gibt sie von sich preis, nur verhüllt drückt sie Gefühle aus – unterstützt von der Musik Jocelyn Pooks, die auch Teile der Musik zu Stanley Kubricks Film „Eyes Wide Shut“ geliefert hat. Joans Innenwelt wird nur erahnbar, nicht entschlüsselt. Sie kann sichtlich leiden und doch im nächsten Moment ihrem Sohn mit einer raubtierhaften Entschlossenheit ins Gesicht lügen, um das Geheimnis ihrer Koautorschaft zu wahren.

Was bleibt in dieser Geschichte einer Ausbeutung (der Film lässt keinen Zweifel, dass er eine solche erzählt) von der Beziehung zwischen Joan und Joseph, die anfangs aussah wie eine große Liebe? Sie scheint zwischendurch schon völlig entmystifiziert – und wird doch nicht einfach eliminiert. Vor allem Close' Schauspielkunst lässt keinen Zweifel daran, dass das Geheimnis eines Paarlebens mehr als die Summe aller Ungerechtigkeiten darin ist. Und Joans Entscheidung am Ende des Films kann man auch als Absage an alle deuten, die den Film anders sehen wollen.


Ein allzu typisches Machoekel. Wie wenig interessant der Film ohne diese Ebene hätte sein können, zeigt sich an den Rückblicken, die die Vorgeschichte des Paars erzählen. Reichlich holzschnittartig ist das Porträt eines machohaften Uni- und Literaturbetriebs. Und während man Annie Starke, Glenn Close' Tochter, die junge Joan noch abnehmen könnte, zeigt Harry Lloyd den anmaßenden Literaturdozenten mit großen Schriftstellerambitionen als dermaßen uninteressantes Ekel, dass man meinen könnte, er wüsste nichts von seinem späteren, längst nicht so eindeutigen Ich.

Das Joyce-Zitat, das Studentinnen verträumt an seinen Lippen hängen lässt, entstammt übrigens dem Schluss der Erzählung „Die Toten“: „His soul swooned slowly as he heard the snow falling faintly through the universe and faintly falling, like the descent of their last end, upon all the living and the dead.“ Am Ende des Films, als es mit Joseph zu Ende geht, sieht man hinter den Zimmerfenstern Schnee fallen. Josephs Pose hat ihn eingeholt, ist Wirklichkeit geworden. Man kann das als höhere Gerechtigkeit sehen – oder auch als eine Art Versöhnung.

Vom Roman zum Film

14 Jahre dauerte es, bis diesesFilmprojekt Wirklichkeit wurde, erinnerte Glenn Close in ihrer Rede bei den Golden Globes. Für sie habe die Rolle eine sehr persönliche Bedeutung, sagte sie auch. Denn ihre Mutter habe sich ein Leben lang ihrem Vater, einem brillanten Arzt, untergeordnet.

2003 veröffentlichte US-Autorin Meg Wolitzer (*1959) ihren Roman „The Wife“ (eine deutsche Übersetzung erschien 2017 im DuMont-Verlag). Ihren Durchbruch erlebte sie zehn Jahre später mit dem Roman „The Interestings“ („Die Interessanten“, DuMont, 2014).

Jane Anderson, eine für gute TV-Skripten bekannte Drehbuchautorin und Regisseurin, verfasste ein Skript zum Roman, das bei mehreren US-Produzenten zum Teil auf Ablehnung stieß. Anderson zufolge hätten sich die zuständigen Männer u.a. an einer „Ehefrau“ als titelgebender Hauptfigur und angeblich an „männerhassenden“ Elementen gestoßen.

2017 wurde der Film endlich als schwedisch-US-amerikanische Koproduktion realisiert – mit dem Schweden Björn Runge als Regisseur.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.02.2019)

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