„Die Burg“: Theaterzauber und Ernüchterung

Das Burgtheater wirbt mit einer netten, etwas langweiligen Doku für sich (Backstage „Hotel Europa“).
Das Burgtheater wirbt mit einer netten, etwas langweiligen Doku für sich (Backstage „Hotel Europa“).(c) Polyfilm
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Hans A. Guttners Doku ist ein besinnlicher Film über das Burgtheater. Wir erfahren, wie Mimen den Hobel schwingen, sich in Welpen verwandeln, Sexszenen üben.

Ein Bett bauen! Burgschauspieler Fabian Krüger wollte sich nicht mehr damit begnügen, Befehlen von Regisseuren zu gehorchen, sondern etwas Praktisches anpacken. Mit dieser Sehnsucht ist Krüger nicht allein. Schon Josef Meinrad, gelernter Tischler, betätigte in seiner Freizeit gern den Hobel. Als lebhafter Plauderer erweist sich Krüger in einer 95-Minuten-Dokumentation über „Die Burg“ von Hans A. (Andreas) Guttner, Spezialist für lange Dokus in der Tradition des US-Amerikaners Frederick Wiseman.

Guttner wollte das Burgtheater abseits „narrativer Konfliktkonstruktionen“ erkunden, heißt es im Aviso. Den Burg-Skandal kann man zwar kaum als Konstruktion bezeichnen, auch nicht die „Kriege“ der Peymann-Zeit ums Burgtheater, aber wir leben in kalmierenden Zeiten. Der Film wirkt nett, besinnlich und etwas langweilig.

Das Burgtheater hat eine der tollsten Bühnentechniken, aber Soundchecks und Computer sind ebenso wenig fesselnd wie Besprechungen der Direktion. Köstliche Auftritte haben hingegen die Künstler. Volksoperndirektor Robert Meyer, früher Burgschauspieler, ehrt Maria Happel – beide sind Deutsche, aber „Beuteösterreicher“ – bei der Feier von Happels Ernennung zur Kammerschauspielerin mit einer launigen Ansprache über die österreichische Titelsucht. Nicholas Ofczarek philosophiert über Höhen und Tiefen des Metiers. Am komischsten aber ist sein Extempore als Bruder Simpel. Der Sohn eines Opernsängers ist in seiner Kindheit viel herumgekommen, er spricht Steirisch und Schwyzerdütsch, fällt hurtig von einem Dialekt in den anderen und verwandelt sich schnell noch in einen liebesbedürftigen Welpen. Ja, das bewundern wir an unseren Mimen am meisten: Wenn sie sich selbst spielen. Und man sieht es in „Die Burg“: In Wahrheit können sie genau das am besten. Aber es ist auch immer wieder verblüffend, wie Schauspieler blitzartig ihren Rollenton „draufhaben“.

Imposante Kunstmaschine

Krüger und Katharina Lorenz proben „Geächtet“ von Ayad Akhtar, in dem sie ein disparates Paar spielen. Emily (Lorenz) wirft Amir (Krüger) vor, dass es seit drei Monaten keinen Sex gibt. „Zählst du mit?“, fragt er erbost. Wie schnell diese Künstler eine Atmosphäre, eine Geschichte aus Worten und Gesten erschaffen, wie sie mit Nuancen spielen: Das kann immer wieder begeistern.

Beim Sexversuch gibt es eine Panne. Es entsteht unbeholfenes Herumwursteln, wie oft auch im richtigen Leben. Jetzt lachen alle herzlich, als befänden sie sich nicht in einer zum Zerreißen angespannten Stimmung. Alles Theater! Was auch zu denken gibt: Wie viel Anstrengung nötig ist, um etwas leicht und spontan aussehen zu lassen. Insgesamt: Dies ist eine Doku für Geduldige und ausgepichte Fans der Bühnenkunst. „Die Burg“ enthüllt die vielen Rädchen einer imposanten Kunstmaschine. Das ist gut, denn der Steuerzahler legt viel Geld für die Institute der Hochkultur hin. Hier erfährt er (oder sie), was sie leisten. Seltsam, dass es erst jetzt zu einem solchen Film gekommen ist.

Eine Doku über die Staatsoper „backstage“ folgt Ende April. ORF2 zeigt heute, Freitag, Felix Breisachs Film „Wunderwerk Staatsoper“. Museen (etwa das KHM) nützen längst das fürs Image so wichtige Medium. Besonders intensiv tun dies die Salzburger Festspiele, die einen weit höheren Anteil ihres Budgets als das Burgtheater selbst einspielen müssen. Ein Zufall? Wohl kaum. „Die Burg“ ist nun im Kino zu erleben, der Film wird im ORF gezeigt und als DVD zu erwerben sein. Die Kosten muten mit knapp unter 200.000 Euro bescheiden an.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.02.2019)

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