Die Toten Hosen: "Vielleicht belügen wir uns selbst"

„Es hängen alle von ihm ab, das weiß er auch.“ Campino (l.) und Gitarrist Andreas von Holst von den Toten Hosen im neuen Konzertfilm über die Band.
„Es hängen alle von ihm ab, das weiß er auch.“ Campino (l.) und Gitarrist Andreas von Holst von den Toten Hosen im neuen Konzertfilm über die Band. (c) Avanti Media Fiction
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Der Konzertfilm "Weil du nur einmal lebst" zeigt die Toten Hosen auf ihrer erfolgreichsten Tour, auch hinter der Bühne. Doch der Mythos der Band erschließt sich nicht. Neu im Kino.

Sie tragen immer noch die Spitznamen aus der Jugend, Breiti, Andi, Kuddel, Campino, auch wenn sie dasitzen und über das Altwerden sinnieren, 36 Jahre nach Gründung ihrer Band Die Toten Hosen. „Wir wollen das mit Würde zu Ende bringen, die Grundsätze nicht verraten, mit denen wir gestartet sind“, sagt Sänger Campino vor der Premiere des Konzertfilms „Weil du nur einmal lebst“, der mit Ende März in den Kinos startet. „Aber vielleicht belügen wir uns da selbst.“

So genau wollten sie es vorerst nicht wissen, als Regisseurin Cordula Kablitz-Post erstmals ihre Idee vorbrachte, die Band auf Tour zu begleiten, die mit mehr als einer Million Besuchern 2017 und 2018 zu ihrer bisher erfolgreichsten werden sollte. Erst wenige Wochen vor Tourstart erfolgte laut Sänger Campino dann doch die spontane Zusage: „Wenn jemals, dann lieber heute als morgen. Von hier kann es nur noch abwärts gehen, es kann nicht besser werden.“

Das Gefühl, keinen Augenblick verschenken zu wollen, zieht sich als roter Faden durch die Doku, die Band-Porträt und Konzertfilm zugleich sein will. Konzertaufnahmen von Paul Dugdale wechseln sich mit Backstage-Szenen und Interviews ab. „Weder ist, was wir erleben, selbstverständlich, noch wird es ewig dauern“, sagt Breiti (Michael Breitkopf). Unterwegs zu sein, Moment an Moment zu reihen, als Therapie gegen das Altern, das laut Campino seine Spuren hinterlässt. Vieles hat sich ins Gegenteil verkehrt seit den Anfängen, auf Tour herrscht Disziplin, Gurgeln mit Wurzelsud und Physiotherapie haben das „Durchdrehen“ ersetzt.

Auch, weil man, so die freimütige Selbsteinschätzung der Band, musikalisch „nichts besonders gut“ könne. „Wir müssen üben, besser werden“, sagt Bassist Andi (Andreas Meurer) in einer Szene mit ernster Miene. Man sieht Campino im Zorn in die Garderobe stürmen, weil „wieder nichts geklappt hat“. Eine Einstellung, die Schlagzeuger Vom Ritchie hasst. „Sie sind so deutsch“, sagt der Brite; er wirkt resigniert, immer noch „der Neue“ zu sein. Und das nach zwanzig Jahren in der Band. Sein Moment of Fame kommt später im Film, auf Tour im Sehnsuchtsland Argentinien, als ein Auto stoppt und argentinische Fans ihm euphorisch in die Arme fallen. Die Toten Hosen gehörten zu den ersten Bands, die nach Ende der Militärdiktatur in Argentinien auftraten.

Im Zentrum: Die „Wundertüte“ Campino

Alles dreht sich um Galionsfigur Campino, er schreibt die Songs, „eine Wundertüte“ nennt es Breiti mit leiser Ironie. Trotz des Erfolgs ist die Sorge präsent, das wäre es nun gewesen. Ein guter Song sei wie ein Hund, sagt Campino, „der einem zuläuft, und man hofft, dass er nicht wieder wegläuft“.

Etliche Szenen sind von großer Komik, etwa eine Hemdanprobe, in der ein schlecht gelaunter Campino wie ein bockiger Jugendlicher mit Ärmellängen und seinem Körper kämpft. Ekstase und Erschöpfung bedingen einander. Eben noch athletisch und halbnackt auf der Bühne, danach müde Knochen, dünne Haut. Nach Szenen eines Auftritts im legendären SO36 in Berlin-Kreuzberg meint Campino euphorisch, Schweiß und Bier auf dem nackten Oberkörper seien doch großartig. Die erschöpften Gesichter der Bandmitglieder sprechen für sich.

Der eigentliche Bruch im Triumphzug hat im Film wenig Tiefgang. Nach dem Konzert in Berlin im Juni erleidet der Sänger einen Hörsturz, die Tour wird unterbrochen. Wie viel Geschäft hinter der inszenierten Hosen-Emotion steckt, macht das kühle Statement des Managers, Patrick Orth, deutlich. „Es hängen alle von ihm ab, das weiß er auch.“ Nur sechs Wochen später wird die Tour fortgesetzt, doch der Sänger ist angeschlagen, hadert mit den Einschränkungen, wirkt bei Soundchecks zunehmend gereizt.

„Bis zum bitteren Ende“, so das Motto der Band, geht der Film nicht. Er schenkt Fans einen weiteren „Moment“, in dem man sich der gegenseitigen Zuneigung versichert sein kann. Für alle anderen erschließt sich der Mythos der „Hosen“ auch mit diesen Einblicken nicht wirklich. Aber vielleicht ist es so simpel, wie Campino es in einer Szene formuliert: „Wenn man schon alt und abgekämpft wird, dann gefälligst gut gelaunt.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.02.2019)

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