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Von JFK zur "Truman Show": Verschwörungstheorien auf Netflix, Amazon & Co.

Die ganze Welt dreht sich um Truman – nur ist diese Welt halt lediglich eine simulierte.
Die ganze Welt dreht sich um Truman – nur ist diese Welt halt lediglich eine simulierte.(c) Paramount/Reuters
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Im Kino versklaven Aliens gerade die Menschheit („Captive State“), während ein Nazi-Volk im Erdinneren die Weltherrschaft plant („Iron Sky 2“). Auf Netflix & Co. warten noch mehr Verschwörungstheorien.

I wie Ikarus

Von Henri Verneuil, 1979
Zu sehen auf Amazon

Wer erschoss John F. Kennedy? Für viele ist die Antwort klar: Lee Harvey Oswald. Für manche nicht. Das Attentat auf den 35. US-Präsidenten am 22. November 1963 ist eine besonders dankbare Quelle für Verschwörungstheorien – unzählige Mythen und Legenden ranken sich um den Fall, etliche Popkultur-Erzeugnisse speisen sich aus seinem labyrinthischen Metadiskurs. In den USA zeitigte er Meilensteine des Paranoia-Kinos, das in den 1970ern eine Blütezeit erlebte. Filme wie „Zeuge einer Verschwörung“ und „Der Dialog“ trieben den Verfolgungswahn der Ära ad absurdum. Etwas weniger bekannt sind Genrebeiträge, die fast zeitgleich in Italien und Frankreich entstanden. Deren Gipfelpunkt stellt Henri Verneuils „I wie Ikarus“ dar: Der Thriller-Spezialist verdichtet darin dunkle Zeitgeistpanik zu einem nahezu abstrakten Knäuel des Unbehagens. Ein beliebtes Staatsoberhaupt wird ermordet. Eine Untersuchungskommission kommt zum Schluss, dass es ein verwirrter Einzeltäter war. Nur der rechtschaffene Staatsanwalt Henri (Yves Montand) zweifelt am Tatbestand – und rollt die Ermittlung neu auf. Seine Nachforschungen nutzt der Film für Anspielungen aufs Milgram-Experiment und die „Operation Gladio“: Angst über der Stadt.

The Umbrella Man / Wormwood

Von Errol Morris, 2011 / 2017
Zu sehen auf nytimes.com / Netflix

Der US-Dokumentarveteran Errol Morris ist fasziniert von der unsteten Natur des Wissens. Auch er konnte sich der Aura des Indiziengeflechts rund um den JFK-Komplex nicht entziehen: In seiner Mini-Doku „The Umbrella Man“, gratis zu sehen in der „Op-Docs“-Online-Rubrik der „New York Times“, befragt er einen Philosophieprofessor zu einer auffälligen Randfigur im Zapruder-Film (der zufälligen Dokumentation des Attentats). Weiter holt er im sechsteiligen Doku-Drama „Wormwood“ aus – einer überbordenden Erkundung des mysteriösen Todes des Biochemikers Frank Olson (verkörpert von Peter Sarsgaard), dessen Sohn Eric herausfinden will, ob er Opfer des berüchtigten CIA-LSD-Geheimprogramms MKUltra wurde.

Sie leben

Von John Carpenter, 1988
Zu sehen auf Amazon

Nicht nur US-Literat Thomas Pynchon konstatierte, dass Verschwörungstheorien etwas Religiöses anhaftet: Hinter den profanen Erscheinungen des Alltags vermuten ihre Anhänger eine sinnstiftende Hinterwelt, eine Art „intelligent design.“ Beispielhaft exerziert dies die wohl ungewöhnlichste Arbeit des Horrormeisters John Carpenter durch: Ein Drifter (Wrestler Roddy Piper) findet Sonnenbrillen, deren Trägern sich die Welt als von unterschwelligen Botschaften Außerirdischer bestimmt offenbart. Laut dem Philosophen Slavoj ?ižek ideales Sinnbild für die Wirkungsweise von Ideologien: Diese seien keine Linsen, die die Wirklichkeit verfremden, sondern der Normalzustand, den man erst entschlüsseln muss.

Der Mann, der zuviel wusste

Von Alfred Hitchcock, 1956
Zu sehen auf Flimmit

Unmöglich, von Verschwörungsfilmen zu reden, ohne Alfred Hitchcock zu erwähnen. Sein Schaffen hatte nur selten politische Untertöne, aber die psychologischen Mechanismen, die konspiratives Denken befördern, kannte er wie kein Zweiter – und wusste sie zu nutzen, um seinen Zuschauern die Nerven durchzuscheuern. Komplotte lauern bei ihm an jeder Ecke, niemand ist davor gefeit: Auch ein harmloser US-Bürger (James Stewart) braucht nur im falschen Bus sitzen, um plötzlich ins Getriebe einer internationalen Intrige zu geraten. Legendär die Attentatsszene in der Royal Albert Hall, die im fünften „Mission: Impossible“-Film in die Wiener Staatsoper verpflanzt wurde.

Die Truman Show

Von Peter Weir, 1998
Zu sehen auf Amazon und Netflix

Paranoia und Narzissmus liegen nah beieinander. Wer sich verfolgt fühlt, sehnt sich oft heimlich nach Aufmerksamkeit. Ist die Vorstellung, die ganze Welt drehe sich buchstäblich um einen selbst und sei eine bis ins letzte Detail ausgeklügelte Inszenierung, in der man höchstpersönlich die Hauptrolle innehat, also ein Alb- oder ein Wunschtraum? „Die Truman Show“ weiß, dass die Wahrheit irgendwo dazwischen liegt – und balanciert geschickt zwischen den beiden Antwortmöglichkeiten.
Truman Burbank (Jim Carrey in seiner ersten richtig „ernsten“ Rolle) wird als Baby zum Star einer monumentalen Reality-Show: Ohne sich dessen bewusst zu sein, lebt er sein Leben unter einer gigantischen Kuppel, Wanderlust wird ihm per eingepflanztem Kindheitstrauma ausgetrieben. Jeder noch so intime Augenblick, jedes Hoch und jedes Tief seiner alles in allem idyllischen Existenz wird von versteckten Kameras aufgezeichnet und einem dankbaren Fernsehpublikum zur Rührung und Ergötzung vorgesetzt. Doch selbst perfekte Simulationen haben Risse. Und Truman beginnt, gegen die Mauern seines hermetischen Universums anzurennen. Eine Parabel über Kontrollverlustängste und ihre Überwindung.

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