Filmmuseum: Es vibriert im Outback

Die Angst vor dem Kommunismus und eine Kaninchenplage: In die Krisen der Melbourner Vorstadt wird in „Celia“ von Ann Turner (1989) ein Mädchen hineingezogen. Es ist einer der über 50 Filme der Australien- Schau im Filmmuseum.
Die Angst vor dem Kommunismus und eine Kaninchenplage: In die Krisen der Melbourner Vorstadt wird in „Celia“ von Ann Turner (1989) ein Mädchen hineingezogen. Es ist einer der über 50 Filme der Australien- Schau im Filmmuseum.(c) National Film and Sound Archive of Australia
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Staubig im besten Sinne: Eine große, spannende Schau zeigt Highlights des australischen Filmschaffens – von „Mad Max“ bis zum späten Indigenen-Kino.

Australien, dieser aus europäischer Perspektive eigentümliche Sehnsuchts- und Fluchtort, wo das Antlitz einer hoch entwickelten Industrienation direkt neben einem heißen, dürren, lebensfeindlichen und jedenfalls beständig rostrot schimmernden Hinterland, dem bis aufs letzte Staubkorn mythologisierten Outback, steht, hat sich immer schwergetan mit seinem höchsteigenen Kino. Auf eine außerhalb des Kontinents so gut wie unbekannte, aber mächtige Pionierzeit zu Beginn des vorigen Jahrhunderts folgten Dekaden der kommerziellen und künstlerischen Erfolglosigkeit. In deutlicher Verknappung darf man sagen, dass es wohl gerade ein Außenblick, eine Alien-Perspektive auf Australien war, die die Filmindustrie down under revitalisierte: Der Engländer Michael Powell inszenierte 1966 die Culture-Clash-Komödie „They're a Weird Mob“ über einen Italiener, der auf den fünften Kontinent emigriert, um Sportreporter zu werden, sich dort allerdings als Bauarbeiter durchschlagen muss und mit allerlei kulturellen (und sprachlichen) Merkwürdigkeiten konfrontiert wird.

Das Modell dieses gewaltigen – und überraschenden – Kassenerfolgs wurde in den folgenden Jahrzehnten häufig imitiert; von den tiefer gelegten Sexkomödien wie „Alvin Purple“ (1972) bis hin zum Popkultur-Prachtstück „Crocodile Dundee“ (1986), in dem ein Bushman von der US-Kultur herausgefordert wird, lassen sich die Echowellen von Powells Film verfolgen. Der maßgebliche Impetus für eine Renaissance des australischen Kinos war schließlich die Verabschiedung eines Filmfördergesetzes, das in den Siebziger- und Achtzigerjahren zu einer Welle von scharf konturierten Autorenfilmen und innovativen Genre- und Trasharbeiten führte, die erneut die Dichotomie von Zivilisation und Wildheit widerzuspiegeln scheinen – wären sie nicht so häufig beides gleichzeitig.

Zoten, Gewalt und gute Laune

Beispielhaft dafür steht der mittlerweile legendäre film maudit „Wake in Fright“ (1971) des Kanadiers Ted Kotcheff: Im delirierend-nihilistischen Psychothriller strandet ein Lehrer im Minen-Kaff The Yabba, wo sein ganzes Geld für Bier und Glücksspiel draufgeht und ihn schließlich ein derangierter, entfesselter Arzt in eine urkräftige Sinnes- und Erfahrungswelt einspeist.

Während Filmemacher wie Peter Weir, Phillip Noyce oder Jane Campion es auch zu internationaler Bekanntheit schafften, gärte im australischen Kino der Siebziger- und Achtzigerjahre vor allem die unbekümmerte Lust an Zoten, Gewalt und guter Laune. Die sogenannte Ozploitation dockte einerseits an populäre Genres du jour an, etwa im benzinschwangeren Biker-Film „Stone“ (1974), dem lässigen Kampfkunst-Actioner „The Man from Hong Kong“ (1975) oder dem Telekinese-Thriller „Patrick“ (1978), brachte andererseits aber auch originelle Gemmen wie den kontemplativen Horrorfilm „Long Weekend“ (1978) hervor.

Die internationale Strahlkraft dieser B-Filmkultur war mäßig – bis ein junger Regisseur mit viel Wut und Talent einen Renegaten durch das postapokalyptische Outback rasen ließ, der nicht nur die australische Filmgeschichte für immer verändern sollte: George Millers grindiger, staubiger, räudiger Racheschocker „Mad Max“ (1979) lancierte nicht nur Mel Gibsons Weltkarriere, sondern empfahl den Regisseur als Ausnahmekünstler, der neben den drei Fortsetzungen auch noch den vielleicht dystopischsten Kinderfilm aller Zeiten verantwortete: „Babe: Pig in the City“ (1998).

So geerdet, nahbar und unprätentiös das australische Kino wirken mag, hat es sich wohl nicht zuletzt aufgrund der systematischen Verdrängung und Verleugnung des Unrechts an der indigenen Bevölkerung mit einem im eigentlichen Sinn nativen Kino immer schwergetan. Erst 1993 entstand mit Tracey Moffatts Hochkonzept-Horrorstück „BeDevil“ der erste Film einer Aborigine, drei Jahre später markierte der Episodenfilm „From Sand to Celluloid“ einen Wendepunkt, weniger hinsichtlich der indigenen Repräsentanz vor der Kamera (die hat 1955 in „Jedda“ begonnen) als dahinter. Die gewaltige, mehr als 50 Spielfilme umfassende Australien-Schau ist ohne Zweifel eines der spannendsten, vibrierendsten Programme, die das Österreichische Filmmuseum zuletzt zusammengestellt hat.

„Filmkontinent Australien“. 4. April bis 4. Juni.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.04.2019)

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