„Tea with the Dames“: Diese Ladies nehmen kein Blatt vor den Mund

Vier Stars des britischen Kinos: Maggie Smith, Joan Plowright, Eileen Atkins und Judi Dench.
Vier Stars des britischen Kinos: Maggie Smith, Joan Plowright, Eileen Atkins und Judi Dench.(c) 24 Bilder
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„Tea with the Dames“ von Roger Michell mit Judi Dench, Joan Plowright, Eileen Atkins und Maggie Smith erinnert daran, warum wir das Englische lieben – trotz Brexit. Ab Donnerstag im Kino.

„Fuck off!“, schrie Judi Dench den jungen Sanitäter an, nachdem eine Hornisse sie in den Po gestochen hatte. Der Bursch hatte sie gefragt: „Wie heißen wir denn?“ „Dabei hab ich gerade fünf Wochen das ,Wintermärchen‘ gespielt!“, knurrt Dench. Ein seltener Fall von Zorn in Roger Michells Dokumentarfilm über vier Stars und Publikumslieblinge des britischen Kinos und Theaters: Neben Dench haben sich Maggie Smith (zuletzt bekannt aus „Harry Potter“ oder „Downton Abbey“), Eileen Atkins (Mitentwicklerin der Serie „Das Haus am Eaton Place“) und Joan Plowright (Ehefrau von Sir Laurence Olivier) zum Tee versammelt, auf dem Landsitz von Plowright, einem typisch britischen Cottage aus Naturstein.

Alles wird durchgenommen, durchgehechelt, und alles ist noch viel schlimmer, als es sich der kleine Maxi oder die kleine Maximiliane vorgestellt haben. Atkins begann in einer Ballettschule, einer „Anstalt für Pädophilie“. Die wilden 1960er-Jahre „mussten für mich nicht erst erfunden werden“, erzählt sie. Dench wuchs in einem Quäker-Internat auf, ihr erster Auftritt war ein Mysterienspiel, man sieht sie, vermutlich als Engel, jedenfalls mit blonder Topffrisur, netter gesagt: mit Pagenkopf.

Die Liebe zum britischen Lifestyle

Regisseur Roger Michell, 1956 im südafrikanischen Pretoria geboren und doch fast ein Bub im Vergleich zu den Achtziger-Ladys, zeigt bewundernswerte Zurückhaltung bei den Interviews und fällt nicht um vor Lachen über den superdryen Humor, er bleibt respektvoll. Bewohner der einstigen Kolonien und des jetzigen Commonwealth hegen besondere Bewunderung und Verständnis für den britischen Lifestyle.

Michell hat uralte Filme ausgegraben und zeigt auch die Verleihung des Adelstitels „Dame“ durch die Queen oder Prince Charles: „For Services to Drama“. Das schaut sehr würdig aus. Mächtig waren damals auch die Männer im Showbusiness, wahrscheinlich sind sie es heute noch. Plowright beklagt ihre schwierige Stellung als Frau des Intendanten des National Theatre, Laurence Olivier. Als Othello verpasst ihr dieser einst wie ein Gott verehrte Star auf der Bühne eine schallende Ohrfeige; einem anderen Mitspieler haut er die Kontaktlinsen vom Auge, worauf dieser völlig blind über die Bühne irrt. „Jeder Drehtag macht Angst“, sagt Maggie Smith einmal. Beinahe beginnt sie zu weinen, als die Rede auf ihren verstorbenen Mann kommt.

Sexismus war kein Thema

Die vier waren mit bekannten Künstlern verheiratet, heute sind sie Witwen. Gern erinnern sie sich an ihre Zeit als kesse Mädchen, Sexismus war damals kein Thema. Selbst die Mütter machten mit, wenn die Girls vermarktet werden sollten. Plowright: „Wir gehören nicht zu den sogenannten Schönsten. Aber wir hatten das gewisse Etwas. Das sagte meine Mutter zu mir: ,Du wirst deinen Weg machen, Gott sei Dank hast du meine Beine und nicht die deines Vaters.‘“ Rivalitäten werden besprochen: Die schon etwas gebrechliche Plowright erinnert sich daran, dass ein amerikanischer Agent ihr sagte, sie könne das Rollwagerl benutzen, das Dench zurückgelassen habe. „Altern ist Scheiße“, sagt eine der Frauen, Dench stellt entschieden fest: „Ich will nicht sterben.“

Coolness und Civil Sense

Was wünschen sich die vier? Dass sie früher auf Praktiken wie Yoga oder Achtsamkeit gekommen wären, die heute in Mode sind, meint Plowright. Smith zweifelt: Hätte man damals mit der Energie, die einem in unerschöpflichem Ausmaß zur Verfügung zu stehen schien, sparen wollen? Endlich wird der Champagner geöffnet. „Hätte schon früher kommen können“, brummt Dench.

„Tea with the Dames“ ist ein sympathischer kleiner Film. Mitten in der deprimierenden Brexit-Debatte erinnert er uns an das, was wir an Engländern immer schon geliebt haben – ihre Schlagfertigkeit, ihr Konversationstalent, ihren Civil Sense, ihre Coolness, die in so merkwürdigem Kontrast zu heißblütigen Dichtern wie Shakespeare steht, die sie hervorgebracht haben. Auch für Theaterfans ist der Film interessant. „Shakespeare ist Poetry“, betont Plowright einmal. Und die anderen fallen ein: Die Debatte um das natürliche Sprechen, die in jeder Generation stattfindet und zu unterschiedlichen Ergebnissen führt, habe der Pflege der Hochsprache geschadet. Es regnet auf dem englischen Lande, und man hat einiges über die Kunst erfahren, was selten so deutlich und doch distinguiert-höflich ausgesprochen wird.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.04.2019)

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