„Avengers: Endgame“: Nach dem Endspiel geht es weiter

Iron Man (Robert Downey Jr.) betrachtet seine lädierte Heldenmaske.
Iron Man (Robert Downey Jr.) betrachtet seine lädierte Heldenmaske.(c) Marvel
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Marvel schließt mit „Avengers: Endgame“ ein Kapitel seiner endlosen Superheldensaga ab, nimmt Abschied von altgedienten Helden – und macht doch weiter.

Ant-Man kennt sich nicht mehr aus. Lang war er nicht absent − aber doch ausreichend lang, um den Faden zu verlieren. Während die Avengers neue Pläne schmieden, muss der von Paul Rudd verkörperte Nebenheld immer wieder nachhaken: Wer, wie, was? Wieso, weshalb, warum?

Wer nicht eingeklinkt ist ins „Marvel Cinematic Universe“, kann mitfühlen. Viel ist passiert, seit sich Robert Downey Jr. im Jahr 2008 das Iron-Man-Kostüm übergezogen hat. Damals ahnten die wenigsten, dass Jon Favreaus humoristisch unterfüttertes Effektespektakel als Initialzündung eines Blockbuster-Paradigmenwechsels in die Filmgeschichte eingehen würde. 20 Filme später ist das serialisierte Superheldenkino Hauptattraktion der Multiplexe. Marvel nicht mehr bloß eine Comicmarke, sondern ein multimediales Unterhaltungsimperium unter Disney-Ägide. Und die Avengers-Saga eine weitverzweigte Seifenoper, deren Figurenfassungsvermögen keine Grenzen kennt.

Trauer und Traumabewältigung

Darob ist man geneigt, den Untertitel ihres jüngsten Kapitels („Endgame“) cum grano salis zu nehmen. Endspiel – das klingt feierlich, final, fatal. Soll es auch; schließlich geht es um den Abschluss einer „Phase“ der Kassenschlager-Reihe, die mit dem dritten Captain-America-Film initiiert wurde. Man könnte auch „Staffel“ dazu sagen, doch Marvel bevorzugt den Begriff, der nach Weltherrschaftsbestrebung klingt – passend zum Trachten der Firma nach Marktdominanz. Und dass selbige ein Ende nimmt, nur weil es ein Heldenepos tut, ist unwahrscheinlich.

Wie dem auch sei: Am Ende wird's bekanntlich ernst. Eigentlich wurde es das schon 2018, in „Avengers: Infinity War“, dem Anfang vom Endgame. Oberschurke Thanos (salbungsvoll und lila: Josh Brolin) sammelte die Infinity Stones: Sechs Zauberklunker, die Allmacht verheißen. Ein omnipotentes Fingerschnippen ließ die Hälfte der Menschheit zu Asche zerstäuben: ein kraftvolles Bild. Wobei Menschheit im Avengers-Universum relativ ist – abseits einer Handvoll Symbolzivilisten und Massenaufläufe scheint es dort nur Superhelden zu geben.

Was folgt? Erst einmal Trauer und Traumabewältigung. Bevor „Endgame“ in die Gänge kommt, müssen seine überlebenden Hauptfiguren wieder auf die Beine: Iron Man hält verbitterte Einkehr, Donnergott Thor (charmant wie eh und je: Chris Hemsworth) trinkt sich einen Bierbauch an, Bogenschütze Hawkeye (Jeremy Renner) schmollt mit neuem Tattoo. Bedächtig trottet der Film durch diese Einzelepisoden – bis sie wieder halbwegs beieinander sind und der Trommelwirbel für den (jetzt aber wirklich) ultimativen Showdown anheben kann.

Fans wird diese (Wieder-)Aufbauphase nicht langweilen – sie haben die Helden und ihre Mimen über Jahre hinweg lieb gewonnen. Die Charakterentwicklung von Serien auf das Kino zu übertragen, statt mit klassischen Sequels (sprich: Fortsetzungsfilmen) zu arbeiten, war einer von Marvels cleversten Coups. Ein anderer war die Vermenschlichung seiner Übermenschen (mit der sich Kernkonkurrent DC immer schwertat).

Hulk und Co. balgen, necken, schämen, ärgern, freuen und verlieben sich. Sie bleiben auf dem Boden, selbst wenn sie durch die Lüfte sausen. Und sie hören mit Vorliebe Songs aus den Siebzigern: „Supersonic Rocket Ship“ von den Kinks und dergleichen mehr.

Die Szenen, in denen man mit dieser Clique abhängen kann, sind für viele das eigentliche Spektakel – auch wenn ihre Ästhetik das Niveau einer schön ausgeleuchteten Fernsehsendung selten übersteigt. Die Action ist Füllmaterial, das Genre flexibel. Kriegsfilm, Agententhriller, Science-Fiction, Fantasy, Melodram, Komödie? Bloße Register einer Entertainment-Orgel, die auch Pathos in petto hat.

Daher dauert „Avengers: Endgame“ sage und schreibe drei Stunden. Für jeden im weltumspannenden Publikum muss etwas dabei sein, und jeder noch so kleine Hero der großen Marvel-Welt hat ein Gastauftrittchen verdient. Dieser Inklusionswahn wirkt zuweilen fast bedrohlich: Wer nicht für die Avengers ist, ist selbstredend gegen sie.

Doch bei aller Kampfbereitschaft schwelgt der Film zuvorderst in Erinnerungen, gedenkt seiner Ursprünge, verwaltet sein Vermächtnis. Dass nicht alle Mitglieder des Kernteams in die nächste Phase übertreten werden, ist kein Geheimnis: Schauspielverträge währen nicht ewig. Marvels Vorherrschaft im Superheldenzirkus, die durch Disneys März-Kauf von 21st Century Fox noch gestärkt wurde, könnte indes Äonen überdauern. Die nächste Heldensaga ist bereits in Planung. Ihr Titel? „The Eternals“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.04.2019)

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