Einmal geht's noch: Stans und Ollies letzte Tour

Erstaunlich, wie sehr Steve Coogan und John C. Reilly dem Habitus und den Manierismen, den fliehenden Blicken, nestelnden Fingern und drolligen Mienen ihrer Vorbilder nahekommen.
Erstaunlich, wie sehr Steve Coogan und John C. Reilly dem Habitus und den Manierismen, den fliehenden Blicken, nestelnden Fingern und drolligen Mienen ihrer Vorbilder nahekommen.(c) Aimee Spinks
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Die Filmbiografie „Stan & Ollie“ würdigt eines der berühmtesten Komikerduos der Leinwandgeschichte. Erfreulicherweise umschifft sie dabei gröbste Biopic-Klischees. Das Ergebnis ist eine liebenswerte Dramödie.

Ulkig sehen sie aus, wenn sie nebeneinanderstehen. Der eine rundlich, groß, mit dicken Backen und Doppelkinn. Der andere nahezu zierlich, mit unschuldig-ratlosem Lächeln und abstehenden Ohren. Schon beim bloßen Anblick muss sich die Rezeptionistin ein Kichern verkneifen. Und dann machen die zwei auch noch Faxen, albern mit der Tischglocke herum. Doch die junge Frau wundert sich nicht, sie weiß, wen sie vor sich hat: Stan Laurel und Oliver Hardy, Komödianten von Weltrang. Nur dass die beiden in ihrer kleinen Pension absteigen, macht sie etwas stutzig. Gehören solche Stars nicht ins Ritz? Auch „Dick & Doof“ selbst hätten nichts gegen etwas mehr Luxus. Aber ihre Glanzzeiten sind vorbei, und die Tantiemen für einstige Großtaten fließen in Produzententaschen. Daher sind sie auf Tournee durch Großbritannien, die Spesenrechnung im Blick.

Dass „Stan & Ollie“, John S. Bairds Filmbiografie des Comedy-Gespanns, sich nahezu ausschließlich auf diese späte Unternehmung konzentriert, mag überraschen. Würden Fans nicht sehen wollen, wie das Duo zusammenkam, wie seine Filmhits entstanden? Klar. Doch der Fokus auf den Schwanengesang der Possenreißer – eine Theatertour im Jahr 1953 – ermöglicht Tiefgang, den das Abklappern abgeschmackter Biopic-Stationen kaum zugelassen hätte.

Kluges Drehbuch von Jeff Pope

Alles, was man an Hintergrundwissen benötigt, packt der Film in seine eröffnende Plansequenz: Laurel und Hardy flanieren 1937 zum Set der Western-Parodie „Zwei ritten nach Texas“ und schmieden Zukunftspläne. Stan, der kreative Federführer, will sich vom Produzenten Hal Roach unabhängig machen, endlich die Rechte am eigenen Werk übernehmen. Doch Hardy, der entspannte Handwerker, hat kalte Füße: Er muss neuerdings hohe Alimente zahlen und kann sich Unsicherheit nicht leisten. Dieser Zwiespalt brodelt unter der Oberfläche, als der Impresario Bernard Delfont (Rufus Jones) sie Jahre später nach England holt. Vor schütterem Publikum spielend fragen sich die Bühnenpartner, ob sie damals etwas falsch gemacht haben – und wer die Schuld dafür trägt.

Eine devote Huldigung bleibt also aus. Im Grunde erzählt „Stan & Ollie“ die simple Geschichte zweier Arbeitskollegen, die Rückschau halten – und stückweise dahinterkommen, dass sie einander doch näher stehen, als sie dachten. Es geht um Freundschaft und Vergebung, ums Älterwerden und Zurandekommen mit dem kleinen wie größeren Unbill des Lebens.

Über Umwege trifft das kluge Drehbuch von Jeff Pope (der schon fürs Skript des berührenden Judi-Dench-Dramas „Philomena“ verantwortlich zeichnete) so den Kern dessen, was Laurel und Hardy als Leinwandkumpanen so einnehmend machte. Sie waren keine genialischen Solo-Akrobaten wie Buster Keaton oder Charlie Chaplin, keine rüpelhaften Rabauken wie die Three Stooges, keine hinterfotzigen Cartoonfiguren wie die Marx Brothers. Slapstick war ein wesentlicher Teilaspekt ihres Schaffens, aber noch wichtiger für ihre Dynamik als Team war die Fähigkeit, sich zu vertragen, angesichts widriger Umstände zusammenzuhalten und ungeachtet ihrer jeweiligen Schwächen zueinanderzustehen.

Diese Einigkeit verlieh ihnen etwas ungemein Menschliches, und ihre vielleicht beliebteste Nummer war denn auch keine Klamaukrevue, sondern ein possierliches Tänzchen, bei dem sie im Gleichschritt hüpften wie selbstvergessene Kinder.

Im Zuge seiner Theaterszenen zollt der Film dieser Einlage – und anderen, nicht minder komischen – Tribut. Für Kenner gibt es auch anderswo unaufdringliche Anspielungen: Als Stan am Treppenabsatz einen schweren Koffer loslässt, um auf seine Uhr zu blicken, rutscht dieser umgehend wieder auf Anfang: Ein Verweis auf die famose Klavierschlepperklamotte „The Music Box“.

Die Gäste sehen nur „Dick & Doof“

Erstaunlich, wie sehr die beiden Hauptdarsteller dem Habitus und den Manierismen, den fliehenden Blicken, nestelnden Fingern und drolligen Mienen ihrer Vorbilder nahekommen. Sinnigerweise handelt es sich dabei um zwei begabte Gegenwartshumoristen, die auch außerhalb ihres Fachs – quasi mit und ohne Melone – zu überzeugen wissen: Der Brite Steve Coogan gibt den Briten Stan Laurel (geborener Jefferson), der Amerikaner John C. Reilly (mit diskreter Maske und künstlicher Leibeserweiterung) den Amerikaner Oliver Hardy. Fast genauso amüsant sind Shirley Henderson und Nina Arianda, die die Ehefrauen der Stars verkörpern: Erstere neurotisch, aber umsichtig, letztere hart, aber gerecht – und mit charmantem russischen Akzent.

Sie stehen ihren Gatten bei, als es zwischen diesen zu kriseln beginnt, als Hardys Gesundheit nachlässt und Laurel den Traum vom erhofften Kinocomeback platzen sieht. In einem tragikomischen Schlüsselmoment wirft er nach einem erbitterten Streit bei einem Empfang wutentbrannt Essen nach seinem Freund. Die restlichen Gäste lachen: Sie sehen nur „Dick & Doof“.

Premiere hatte „Stan & Ollie“ schon vergangenen Oktober, und wahrscheinlich rechneten sich die Filmemacher damals Oscar-Chancen aus – das Schnittmuster der Branchenbespiegelung, der Retro-Charakter und der Hang zum Sentimentalen deuten darauf hin. Letztlich reichte es nicht einmal für eine Nominierung. Doch gerade dass sie ihr Statuettenfilm-Plansoll nicht übererfüllt und gängige Biopic-Konventionen locker nimmt, zeichnet diese liebenswerte, schmucklos inszenierte Dramödie aus. Als Versöhnungsgeste reicht hier, dass sich Stan zu Ollie ins Bett legt und kurz seine Hand hält. Ein rührender Anblick – aber kichern muss man doch.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.05.2019)

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