„Wine Country“: Amy Poehler, Tina Fey, ein Geburtstag und jede Menge Wein

(c) Netflix/ Colleen Hayes
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In „Wine Country“, dem Regiedebüt von Komikerin Amy Poehler, fahren sechs Freundinnen gemeinsam auf Urlaub, um einen Geburtstag zu feiern. Ein bemerkenswerter Film, vor allem weil er sich Zeit nimmt, sechs sehr unterschiedliche Frauen über 40 zu porträtieren.

Wenn in einer Komödie sechs Frauen gemeinsam auf Urlaub fahren, was erwartet man da? Streit und Tränen – das prophezeit im Netflix-Film „Wine Country“ auch eine Wahrsagerin den Freundinnen, die ein verlängertes Wochenende miteinander verbringen. Ja, es gibt Streit im Regiedebüt der Komikerin Amy Poehler. Und es gibt auch ein paar Tränen. Aber sonst umschifft der Film die Erwartungshaltung. Kinder sind eigentlich nie Thema, genauso wenig wie Männer – der süße Fahrer (Jason Schwartzman) erweckt bei keiner der sechs ernsthaft romantisches Interesse, er ist ihnen (und dem Zuschauer) eher lästig. Denn sie wollen unter sich sein in diesem fantastischen Haus samt Whirlpool und Fernblick im Weinbaugebiet Napa Valley – und dort den 50. Geburtstag von Rebecca (Rachel Dratch) feiern. Und wenn sie doch jemanden hineinlassen in ihren Kreis, dann am ehesten eine Frau, wie ihre exzentrische Vermieterin (Tina Fey).

Wie in realen Freundeskreisen gibt es auch in „Wine Country“ jemanden, der die Organisation übernimmt: Abby (Amy Poehler) hat sich ein Programm ausgedacht, das wenig Zeit zum Verschnaufen lässt – und für Anspannung sorgt. Aber alle spielen mit, denn sie wollen ein Stück weit ihren eigenen Problemen entfliehen, wie man das bei Urlauben eben so macht. Naomi (Maya Rudolph) trägt ein Geheimnis mit sich herum, Val (Paula Pell) hofft, bei einer jungen Kellnerin zu landen, Jenny (Emily Spivey) versucht, ihren Phobien zu entfliehen, Catherine (Ana Gasteyer) muss eine wichtige berufliche Entscheidung treffen, und Geburtstagskind Rebecca weigert sich, sich einzugestehen, dass sie älter wird – und in einer schlechten Beziehung feststeckt.

Schlagabtausch mit den Millennials

Im Film haben sie in ihren Zwanzigern alle gemeinsam in einer Pizzeria gekellnert. Tatsächlich kennen sich die sechs Komikerinnen/Schauspielerinnen von der Comedy-Show „Saturday Night Live“, reale gemeinsame Urlaube mit ihren Freundinnen haben Poehler zu dem Film inspiriert. Dass die Darstellerinnen einander gut kennen, spürt man an der Chemie zwischen ihnen, der unnachahmlichen Mühelosigkeit in den Dialogen.

Die fehlende Handlung (die Frauen bewegen sich von Abendessen zu Weinverkostungen zu Besäufnissen im Whirlpool) kostet zwar Spannung, lässt dem Film aber gestalterische Freiheit. „Wine Country“ nimmt sich Zeit, um die einzelnen Frauen und ihre Rollen innerhalb ihrer Gemeinschaft zu beleuchten: Workaholic Jenny glaubt sich oft ausgeschlossen, stellt sich aber selbst an den Rand; Drei- oder Vierfachmutter (so genau erfährt man das nie) Naomi darf als Jüngste in der Runde bei ihren Freundinnen das Küken spielen; hinter der Fassade der immer lustigen Val versteckt sich Einsamkeit . . .

Solche Porträts von Frauen über 40 oder gar 50 sieht man – in dieser konzentrierten Form jedenfalls – selten im Fernsehen oder Kino, selbst wenn Frauenfreundschaften seit „Bridesmaids“ durchaus Thema sind. In seiner Leichtigkeit hebt sich „Wine Country“ ab von Genreschwestern. Die Komödie nimmt sich nicht allzu ernst, etwa in dem schrägen Schlagabtausch zwischen den „alten“ Frauen und den vor Selbstbewusstsein strotzenden Millennials, die alles ironisch auffassen. Zueinander sind die Frauen selbst in ihrer Wut liebevoll, was die Comedy manchmal gezähmt wirken lässt. Vor allem vom Duo Poehler/Fey kennt man Bissigeres. Die volle (komische) Wucht der sechs spürt man am ehesten, wenn es gegen Außenstehende geht. Wie die Frauen einen jüngeren Arzt zusammenputzen, der meint, sie bevormunden zu müssen, ist richtig befreiend.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.06.2019)

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