Diese „Pretty Woman“ will Präsidentin werden

Der Journalist (Seth Rogen) und die Politikerin (Charlize Theron): Werden sie zueinanderfinden?
Der Journalist (Seth Rogen) und die Politikerin (Charlize Theron): Werden sie zueinanderfinden?(c) Studiocanal
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In der romantischen Komödie „Long Shot“ finden ein Reporter (Seth Rogen) und eine Politikerin (Charlize Theron) über Umwege zum Liebesglück. Und adaptieren dabei Konventionen des Genres für eine neue Zeit.

Was ist eine romantische Komödie? In den 1990ern hätte die Antwort wie folgt lauten können: ein Film, in dem eine aufgeweckte junge Frau in prekärer Lebenslage zufällig einen reichen, gestandenen Mann kennenlernt, der sich allmählich, aber unweigerlich in sie verliebt und ihr nach einigem Hin und Her mit Blumen in der Hand oder Boombox über dem Kopf einen Antrag macht, den sie nicht ablehnen kann. Ein altmodisches Märchen in modernem Gewand – wie Gary Marshalls „Pretty Woman“. Wo die Prostituierte und der Finanzunternehmer zusammenkommen. Und Julia Roberts an einer Stelle zu Richard Gere sagt: „I want the fairy tale.“

Das süße Tändeln zweier Turteltauben

Ein Genreklassiker, der so selbstironisch war, seine Verankerung in archaischen Erzähltraditionen anzuerkennen (der Name Aschenputtel fällt im Dialog). Doch nicht weit genug ging, um sie infrage zu stellen. Jetzt, wo sich das Spektrum salonfähiger Liebes- und Beziehungsformen auf Leinwänden und Bildschirmen aufgefächert hat, wirkt seine Fantasie etwas altbacken. Aber was ist mit unbekümmerter Romantik, dem süßen Tändeln zweier filmischer Turteltauben? Soll das der Vergangenheit angehören?

Nein, meinen die Macher von „Long Shot“ – man muss nur die Vorzeichen adjustieren. Auch in diesem Film verzuckern die Klänge von Roxettes Schmachtfetzen „It Must Have Been Love“, in Anspielung auf „Pretty Woman“. Nur kommen sie aus einem Smartphone. Und das Paar, das sich von ihnen animiert auf einen Engtanz im Hinterzimmer einlässt, entspricht klassischen Romcom-Rollenbildern nur bedingt.

Der Prinz? Seth Rogen als Variation seines bewährten Figurentyps: des liebenswerten Bummelanten, der schon 2007 in Judd Apatows „Beim ersten Mal“ eine weiche, unglamouröse Hollywood-Männlichkeit ins Popkulturfeld führte. Diesmal kommt sie in der Verpackung eines Aufdeckerjournalisten (die man dem Kanadier keine Sekunde abkauft) mit dem Namen Fred Flarsky.

Die Prinzessin? Charlize Theron, die als Kämpferin in Actionfilmen („Atomic Blonde“) ebenso überzeugt wie als patzige Autorin („Young Adult“) – oder als überforderte Mutter („Tully“). Hier gibt sie die toughe, mit allen Wassern gewaschene US-Außenministerin Charlotte Field. Nächste Station: das Präsidentenamt.

Der Filmtitel „Long Shot“ spielt auf den mangelnden Realismus dieser Paarung an. Können zwei Menschen aus derart unterschiedlichen Welten wirklich zusammenfinden? „Unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich“, beteuert der Zusatz des deutschen Verleihs – jedenfalls nicht unmöglicher als die Liaison zwischen einer Sexarbeiterin und einem Investmentguru. Besonders, wenn das Drehbuch nachhilft: Denn Fred und Charlotte kennen sich von früher. Sie war seine Babysitterin, schon damals hatte der nerdige Bub einen Stand auf sie. Buchstäblich, wie er sich verschämt erinnert, aber nicht bloß körperlich: Wie sie in der Umweltbewegung das Wort führte, machte auf ihn großen Eindruck.

Im Grund war der Knirps ihr auch nicht unsympathisch. Als sie sich zufällig bei einer Party begegnen, knistert es. Eines führt zum anderen, Fred wird engagiert, und über humoristisch unterfütterte Umwege blüht wahre Kinoliebe auf. Im Weg stehen ihr nur eine skeptische Imageberaterin (sprich: beste Freundin, toll gespielt von Maggie Millikin) und dubiose Machenschaften mächtiger Männer. Denn nebenher versucht sich „Long Shot“ auch als Polit-Satire: Bob Odenkirks fernsehversessener Präsident ist eine indirekte Trump-Parodie, Andy Serkis verkörpert eine karikatureske Kreuzung aus Steve Bannon und Rupert Murdoch. Der Film stilisiert sein Bündnis zwischen progressiver Politikerin und integrem Reporter zum Ermächtigungssymbol gegen Willkür und Machtmissbrauch.

Viel zu oft fühlt der Film sich bemüßigt, seine sozialkritischen Untertöne zu unterstreichen. Dabei dringen sie ganz von selbst durch, in vielen schönen Szenen, in denen Rogen und Theron sich einfach unterhalten, flirten, über Liebe, Sex und Beziehungen reden. Gern sieht man ihnen dabei zu – fast so gern wie Julia Roberts und Richard Gere.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.06.2019)

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