Ein Superheld auf Schullandwoche

(c) Sony Pictures
  • Drucken

In “Spider-Man: Far From Home” begibt sich die nette Superspinne von nebenan auf Klassenfahrt nach Europa - und Marvel entlässt seine Fans mit einem sympathischen Teenie-Blockbuster in den Sommer.

Was macht Spider-Man in Österreich? Im Bus durch die Alpen kurvend? Rastend in einem idyllischen Bergdorf voller pink gewandeter Radfahrer? Versteckt in einem Gasthaus mit dem Namen “Gasthaus”, auf dessen Klapptafel steht: “Das neue Angebot: Bier - 2 für 1”?

Die Antwort ist ganz einfach: Jetzt, wo der vorerst schwerste Brocken der “Avengers”-Suppe (der zweiteilige, knapp sechsstündige Massenauflauf “Endgame”) geschluckt ist, will Disney-Tochter Marvel sein Stammpublikum entspannt in den Sommer (und in die angekündigte, knapp einjährige Verschnaufpause bis zum Start des nächsten Superheldenmarathons) entlassen: Ein süßes Digestif, ein augenzwinkernder Abschiedswink. Also schickt sie Spider-Man auf Schullandwoche.

Denn die Spinne ist das Leichtgewicht im Übermenschenring. Und dazu noch der größte Sympathieträger. Ein patscherter Teenager, der halt zufällig auch Wunderkräfte hat. Der durch Straßenschluchten schwingend selbstvergessen Selfies schießt und bei seinen Eskapaden auch mal auf die Nase fällt. Dessen Bemühungen, ganz normale Teenagerprobleme anzugehen, ständig von nervigen Weltuntergangseiferern durchkreuzt werden. 2017 debütierte im spritzigen “Spider-Man: Homecoming” seine bereits dritte Blockbuster-Inkarnation: Der Brite Tom Holland, ein 23-jähriger mit dem Gesicht eines 17-Jährigen. Sein Peter Parker ist augenscheinlich unbedarft, und genau das macht ihn charmant.
In “Endgame” musste er einiges durchmachen, jetzt braucht er dringend Urlaub. Also ab nach Europa! Vorher muss Marvel seinen Fans noch mit auf den Weg geben, was sie bis zum nächsten Film ja nicht vergessen dürfen: “I will always love you!”, schmettert Whitney Houston über die Einblendung des Firmenlogos im Vorspann. Wie sich herausstellt, ist es der Soundtrack eines schludrigen Gedenkvideos aus Peters Schülerfernsehen, stilistisch an YouTube-Amateurmontagen angelehnt. Die (Bild-)Sprache des Zielpublikums will gelernt sein!

Das altgediente Genre der Teenie-Komödie

Das narrative Grundgerüst entstammt jedoch dem altgedienten Hollywood-Genre der Teenie-Komödie, in denen der Übersee-Ausflug pubertierender US-Jugendlicher meist mit blühenden Landschaften, grotesken Stereotypen und erotischen Abenteuern aufwartet - siehe “EuroTrip” (2004). Spider-Mans Landschulwoche bleibt vergleichsweise familienfreundlich, ulkt aber auch freimütig herum - vor allem in der vergnüglichen ersten Hälfte.

Der schüchterne Peter will die Exkursion (die nebst hiesigen Gefilden auch Minimundus-Modelle von Venedig, Prag, London und Holland im Programm hat) nutzen, um Flamme MJ (Disney-Kanal-Abgängerin Zendaya) endlich seine Liebe zu gestehen. Leichter gesagt als getan, wenn verpeilte Lehrer (super: Martin Starr und J.B. Smoove) und ein charismatischer Flirt-Konkurrent (Remy Hii) mit im Spiel sind. Irgendwann taucht auch noch Superagent Nick Fury (Samuel L. Jackson) auf. Und ein mysteriöser Überflieger mit Glaskugelkopf (Jake Gyllenhaal). Und ein paar wildgewordene Elementarwesen. Doch das ist alles Nebensache.

Leider sieht der Film das anders, das Spektakelpensum muss erfüllt werden. Gegen Ende driftet “Spider-Man: Far From Home” in bewährtes Krawall-Territorium ab. Immerhin bleibt er dabei relativ leichtblütig, Jon Watts Regie, ähem, beschwingt, Michael Giacchinos Orchestermusik erfreulich altmodisch. Und diesmal hat das Effektgewitter einen doppelten, selbstironischen Boden. Es will auch über Schaulust und Sensationsgier erzählen, über Fake News und Digitale Medien, bringt Intuition gegen Illusion in Stellung. Ausgegoren ist das alles nicht, aber wenigstens etwas - zumal es auch ästhetisch Interessantes zeitigt, etwa einen kurzen, surrealen Parcours durch purzelnde Trugbilder. Dass man nicht immer alles glauben darf, gehört zum Moralkatalog dieser kurzweiligen Geschicht?: Schließlich ist so ein Schulausflug auch eine Bildungsreise.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.