Der Philosoph und die Hure

Maxime Roy spielt die glücklose Polizistin, Maripier Morin eine Edelprostituierte, die sich in den Helden des Films verliebt.
Maxime Roy spielt die glücklose Polizistin, Maripier Morin eine Edelprostituierte, die sich in den Helden des Films verliebt. (C) Polyfilm
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Ein ungewöhnliches Gespann führt in Denys Arcands „Der unverhoffte Charme des Geldes“ die Polizei an der Nase herum. Bonus: ein Crash-Kurs in Sachen Geldwäsche.

Diesen Intellektuellen möchte man am liebsten gehörig zausen. Wie er da in seinem Essen stochert und dabei seiner Freundin erklärt, dass er nur erfolglos durchs Leben dümple, weil er zu gescheit sei für diese Welt, bekanntlich machten nur die Dummen Karriere! Und dann sagt er auch noch, es sei ihm in eineinhalb Jahren nur deshalb noch kein „Ich liebe dich“ über die Lippen gekommen, weil ihn diverse philosophische Überlegungen über den Sinn und das Wesen der Liebe daran gehindert hätten! Ja, der kanadische Filmemacher Denys Arcand zeichnet den Helden seines neuen Films (ab heute im Kino) nicht nur positiv. Als die Freundin ihn nach diesem Gespräch verlässt, nickt das Kinopublikum unisono. Verständlich.

Wenn Sokrates nicht mehr hilft

Doch Pierre-Paul (Alexandre Landry), so heißt unser studierter Botenfahrer, bekommt vom Filmemacher und vom Schicksal noch eine Chance – sowohl in puncto Erfolg als auch in Liebesdingen. Bei einem brutalen Banküberfall, dessen Zeuge er zufällig wird, staubt er zwei Sporttaschen vollgepackt mit Banknoten ab. Jetzt ist Schluss mit trägem Selbstmitleid und der Flucht in die Lektüre von Sokrates und Konsorten, schließlich hat er jetzt erstens Geld und muss zweitens verhindern, dass die Polizei oder gar die Mafia ihm auf die Schliche kommen. Und weil er das allein nicht schafft, trotz eines Doktors in Philosophie und eines immensen IQ, sucht er Verbündete. Als da wären: Ein zwielichtiger Finanzjongleur, der frisch aus dem Knast kommt und Pierre-Paul und dem Zuschauer einen so knappen wie unterhaltsamen Einblick in die Prinzipien der Geldwäsche gibt. Und eine wunderschöne Edelprostituierte (Maripier Morin) mit dem geschichtsträchtigen Namen Aspasia, auf die Pierre-Paul nur deshalb gestoßen ist, weil sie im Netz ihre Dienste mit einem Zitat von Racine bewirbt.

Womit wir bei der Schwachstelle des Filmes wären. Eine Hure, die sich Hals über Kopf in den Freier verliebt? Weil der ja sooo anders ist als all die anderen? Ist spätestens seit „Pretty Woman“ nur ironisch gebrochen denkbar. Ganz abgesehen davon, dass Kapitalismuskritik, wenn schon, denn schon, nicht vor dem Verkauf des weiblichen Körpers haltmachen sollte.

Wie auch immer. Dass hier eine alte Männerfantasie bedient wird, verzeihen wir dem Film, weil Oscar-Preisträger Arcand („Die Invasion der Barbaren“) ansonsten eine leichte Hand hat, weil er uns in seinem Karussell des Geldes fast schwindeln macht, immer wieder eine ungewohnte Wendung findet – und weil es doch zu komisch ist, wie unser ach so kapitalismus- und gesellschaftskritischer Held nach und nach seine Prinzipien über Bord wirft und zum Beispiel einem korrupten Politiker dabei hilft, Steuern zu hinterziehen. Klar, am Ende hat Pierre-Paul doch nur Gutes im Sinn! Aber seine Philosophen würden sich im Grabe umdrehen, wenn sie wüssten, wie nonchalant dieser Dr. phil. die Frage beantwortet, ob der Zweck denn die Mittel heilige.

Am Ende gibt der Film dem blassen Pierre-Paul vom Beginn irgendwie recht. Nein, es ist tatsächlich nicht Intelligenz, die zum Ziel führt, denn besonders schlau stellt er sich ja nicht gerade an. Und ein Studium ist es auch nicht. Was man braucht im Leben, ist Glück, Glück – und noch mehr Glück. Und andere Menschen, die mit dir an einem Strang ziehen.

Dann klappt's auch mit dem Bankraub.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.08.2019)

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