„Es“: Einen Horrorclown kann man auch auslachen

Killerclown Pennywise (Bill Skarsgård) nährt sich von den Ängsten seiner Opfer. Alle 27 Jahre kommt er wieder: Jede Generation bekommt ihren Spuk.
Killerclown Pennywise (Bill Skarsgård) nährt sich von den Ängsten seiner Opfer. Alle 27 Jahre kommt er wieder: Jede Generation bekommt ihren Spuk.Warner Bros.
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Der zweite Teil der Stephen-King-Verfilmung begleitet Erwachsene bei ihrer Angstbewältigung – mit Schockeffekten, Späßchen und vielen Speichelfäden.

Mit der Angst lässt sich ein gutes Geschäft machen. Das wissen Populisten, das wissen Bestseller-Autoren – und das weiß auch Pennywise, der Killerclown aus Stephen Kings Mammutroman „Es“. Seine Kennzeichen: rote Schlitze in einer kalkweißen Fratze, ein zerfleddertes Kostüm mit Bommeln und Rüschenkragen und ein roter Luftballon, der seine Ankunft ankündigt. Er nähert sich den Kindern, wenn sie alleine sind, er kennt ihre Schwachstellen und weiß diese auszunutzen: Ein dicker Bub fürchtet, vom Mädchen, in das er verliebt ist, abgewiesen zu werden? Ein anderer fühlt sich schuldig am Tod seines Bruders? Pennywise nährt sich von den Unsicherheiten seiner Opfer. Er schüchtert sie ein, während er immer stärker wird. Und dann beißt er zu.

Die 1500 Seiten, auf denen King die Versuche einer siebenköpfigen Gruppe von Außenseitern schildert, Pennywise zu stoppen, haben wohl auch deshalb Kultstatus erreicht, weil das Grauen hier eigentlich nicht von einem mysteriösen Monster ausgeht, sondern von innen kommt. Es benutzt die Alpträume des Einzelnen (Mobbing, Missbrauch, Versagensangst) genauso wie die Übel, die eine Gesellschaft aushöhlen (Rassismus, Frauenhass, Homophobie). Kein Wunder, dass Es alle 27 Jahre die Kleinstadt Derry heimsucht: Jede Generation bekommt ihren Spuk. Die Entscheidung, den abschließenden Teil der „Es“-Verfilmung, der am Freitag ins Kino kommt, in der heutigen Zeit spielen zu lassen, ist daher spannend – und hätte dem Killerclown-Kosmos, dessen Retro-Gruselatmosphäre etwa die Serie „Stranger Things“ inspiriert (und den in den 1980ern angesetzten ersten Filmteil beseelt) hat, neue Facetten hinzufügen können.

Hätte, denn: „Es Kapitel 2“ macht nichts aus seiner Verortung im modernen Amerika. Trügen die Protagonisten keine Smartphones in der Tasche, man könnte sie wohl gar keiner bestimmten Zeit zuordnen. Statt auf spezifisches Kolorit zu setzen – und den Hang zum Bösen, den das Städtchen Derry in vielen King-Romanen hat, aus heutiger Perspektive zu betrachten –, betont Regisseur Andy Muschietti das Universelle, Wiederkehrende des Schreckens. Aus dem „Club der Verlierer“ sind erfolgreiche Erwachsene geworden, doch ihre Traumata sind nur verdrängt. Der hypochondrische Eddie hat quasi eine jüngere Version seiner überbesorgten Mutter geheiratet. Beverly (Jessica Chastain) lebt mit einem Mann zusammen, der sie misshandelt wie einst ihr Vater. Bandenanführer Bill (James McAvoy) ist mittlerweile ein angesehener Autor, doch sobald er Derry betritt, beginnt er wieder zu stottern. Mike, der als einziger in seiner Heimatstadt geblieben ist, ist auch der einzige, der sich an seine Kindheit und Pennywise überhaupt noch erinnern kann. Für die anderen kommt die Angst schrittweise zurück.

Ein Monster mit Hängebusen

Ein guter Teil des fast drei Stunden langen Films ist also nötig, um die insgesamt sieben Helden einzeln einzuführen und ihre erneuten Begegnungen mit dem Killerclown anzubahnen. Wirklich unheimlich wird es dabei nicht, statt Beklemmung gibt es opulente Schockeffekte und grausige Bilder: Abgetrennte Köpfe rollen über Holzböden, fallen aus alten Kühlschränken, schauen aus einem Aquarium. Ein Monster sieht aus wie eine verrückte alte nackte Frau mit beachtlichem Hängebusen, ein anderes wie eine wildgewordene Spinne – und alle entblößen sie spitze dreckige Zahnreihen wie die Urbestie Pennywise, gespielt von Bill Skarsgård. Er schmollt, reißt die Augen auf, lacht hysterisch, sabbert: eine irre gewordene Zirkusfigur, fast schon eine Karikatur.

Apropos: Komik ist ein zentrales Element, bezeichnenderweise besetzte man die Rolle des ständig Sprüche klopfenden Richie, der eine Situation erst dann ernst nimmt, wenn ihm leiblicher Schaden droht, mit dem Komiker Bill Hader. Es gibt eine launige Szene mit einem Überraschungs-Gastauftritt. Von den vielen metaphorischen Ausschweifungen Kings fand im Film indessen nur wenig Platz – und erwartbarerweise wurde auch die Idee ausgespart, dass Kinder ihre Kindheit bewusst abschließen können, indem sie sexuell aktiv werden.

Vielmehr lehrt der Film: So leicht ist das mit dem Erwachsenwerden nicht, wenn man die Schrecken aus der Kindheit nur im Unterbewusstsein verräumt. Zusammen gelingt die Angstbewältigung besser als allein. Dann kann man vielleicht auch einfach über Pennywise lachen. Denn wenn er sich an keiner Angst und an keinem Hass mehr laben kann, ist er nur – ein Clown. Ein sabbernder halt.

„Es“ kehrt zurück

Bestseller. 1986 erschien Stephen Kings Wälzer „It“, der auf zwei Zeitebenen erzählt, wie die fiktive Kleinstadt Derry von einem kinderfressenden Clown heimgesucht wird: Eine Gruppe von Außenseitern kämpft erst im Kindesalter in den 1950ern, dann als Erwachsene in den 1980ern dagegen an. 1990 erschien ein Fernsehfilm mit Tim Curry als Clown. Andy Muschietti hat „Es“ erneut verfilmt: Das erste Kapitel erschien 2017, am Freitag folgt das zweite.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.09.2019)

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