Jodie Foster: "Depression ist ganz normal"

Jodie Foster Depression ganz
Jodie Foster Depression ganz(c) AP (Ken Regan)
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Mit 13 war sie zum ersten Mal beim Filmfestival in Cannes. 35 Jahre später stellt sie dort ihre neue Regiearbeit "Der Biber" vor: Jodie Foster über Depressionen und die Kehrseite des amerikanischen Traums.

Sie ist winzig, kaum 1,60 Meter groß, mit spitzem Näschen und feinen Gesichtszügen. Aber wenn sie den Mund aufmacht und ihre Gedanken artikuliert, ist das Puppenhafte sofort weg. Jodie Foster (48) redet rasend schnell, in gestochen scharfen Sätzen, ihre Stimme ist überraschend tief. In „Der Biber“ droht eine Familie auseinanderzubrechen, weil der Vater in Depressionen versinkt. Besserung kündigt sich erst an, als er eine Biber-Handpuppe zu seinem Sprachrohr macht – zum Argwohn seiner Frau.

Wie kommt es, dass ausgerechnet Depressionen ein Thema sind, das Sie beschäftigt?

Jodie Foster: Ich bin oft schon damit konfrontiert gewesen. Depressionen gibt es in jeder Familie. Die bringt das Leben so mit sich, würde ich sagen. Das Leben ist hart, und je älter man wird, desto mehr Schwierigkeiten häufen sich an: Deine Eltern werden alt, deine Kinder erfüllen deine Erwartungen nicht, das Leben entwickelt sich anders, als du es dir gedacht hast.

Sind Depressionen in Amerika trotz Prozac vielleicht doch auch noch ein Tabu?

Nein. Depressionen sind auch kein Phänomen, das nur in Amerika auftritt, dort aber besonders präsent: Man hat alles und fühlt sich trotzdem leer. Wir Amerikaner tendieren dazu, große Wagen, riesige Steaks und große Häuser haben zu wollen und es als Erfüllung unserer Träume zu verstehen. Europäer sind da bodenständiger und verstehen mehr vom Leben.

Ist das die Kehrseite des American Dream?

Absolut. Und dann gibt es so ein fabriziertes Fest namens Thanksgiving, bei dem sich alle Familienmitglieder zusammenfinden sollen, um bei diesem einen Abendessen zu demonstrieren, wie sehr sie sich lieben. Dabei ist es ein furchtbares Aufeinandertreffen deiner Vergangenheit und deiner ungewissen Zukunft. Das ist eine weitere Kehrseite des American Dream – diese Heuchelei.

Aber den Eindruck der Lockerheit hält man krampfhaft aufrecht...

Genau. Mich fasziniert Amerika, weil es ein Teil von mir ist, ohne dass ich es vollständig fassen kann.

Mel Gibson hat gesagt, dass „Der Biber“ für ihn sehr wichtig gewesen sei.

Ja, er spielt einen Mann, der mit sich zu kämpfen hat, mit seinen Gefühlen und der Enttäuschung über sich.

Sie sind befreundet. War es eine emotionale Reise, auf die Sie sich begeben haben?

Ja, und über viele Punkte haben wir uns seit Jahren unterhalten: das Verhältnis zwischen Vater und Sohn beispielsweise. Ich konnte sicher sein, dass er weiß, worum es mir geht, und dass er den Mut haben würde, den traurigen Teil seiner Persönlichkeit offenzulegen.

Wie wird die Öffentlichkeit darauf reagieren, dass er in diesem Film spielt?

Ich weiß es nicht. Die Frage ist eher: Kann die Öffentlichkeit Mels persönlichen Skandal und sein Problem mit der Presse beiseiteschieben, wenn es darum geht, seine Leistung zu bewerten?

In Cannes waren Sie das erste Mal mit 13 und „Taxi Driver“. Und bekamen Applaus für Ihr fließendes Französisch...

Ja, das war 1976. Columbia wollte nur Scorsese, De Niro und Keitel dort haben, aber meine Mutter sagte, ich sollte fliegen: „So eine Chance wirst du nie wieder haben! Du sprichst perfekt Französisch. Wir zahlen es aus eigener Tasche!“ Und abgesehen von der Pressekonferenz hat keiner der anderen ein Interview gegeben. Sie haben sich nicht aus ihren Zimmern getraut. Ich war die Einzige, die damit kein Problem hatte.

Sie waren ein Kinderstar. Wann entschieden Sie bewusst, kein normales Leben zu wollen?

Ich hatte nie das Gefühl, ein normales Leben zu führen. Kalifornien und Sonne waren vielleicht normale Dinge, aber ich hatte keinen Vater, meine Mutter hat uns vier Kinder allein großgezogen. Ich habe im Alter von drei Jahren angefangen zu arbeiten, wir haben unsere Familie ernährt. Insofern hatte ich nie das Gefühl, eine normale Kindheit gehabt zu haben. Aber das muss kein Nachteil sein. Normalität ist für mich auch nicht automatisch erstrebenswert.

Sie werden nächstes Jahr 50. Pläne?

Ich bemühe mich, mich langsam auf die Regie zu verlegen. Aber wenn ich sechzig und siebzig bin, möchte ich wieder viel als Schauspielerin arbeiten.

Sie wollen als Lauren Bacall wiederkommen?

Eher als Simone Signoret mit Zigarette und riesigen, fetten Hüften! (lacht)Dann ist der Druck nicht so groß.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.05.2011)

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