Iranischer Film: Es sieht aus wie Krieg

Iranischer Film sieht Krieg
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Regisseur Jafar Panahi ist vom Regime mit 20 Jahren Berufsverbot belegt worden. Er antwortet darauf mit einem verblüffenden Home Movie: "This is not a film".

Wenn es kein Film ist, was ist es dann? Frei nach René Magrittes „Der Verrat der Bilder“ mit dem berühmten Schriftzug „Dies ist keine Pfeife“ hat der iranische Regisseur Jafar Panahi sein jüngstes Werk betitelt: „This is not a film“. Denn offiziell darf Panahi keine Filme machen. Der ehemalige Mitarbeiter des gefeierten Regisseurs Abbas Kiarostami ist zwar einer der erfolgreichsten Festivalexporte des nationalen Kinos: „Der Kreis“ gewann 2000 den Goldenen Löwen von Venedig, „Crimson Gold“ wurde 2003 in Cannes prämiert, „Offside“ 2006 in Berlin. Aber im Iran durfte er diese kritischen Arbeiten nicht zeigen.
Am 1. März 2010 wurde Panahi während der Arbeit an einem neuen Film verhaftet: „Propaganda gegen das System“, lautete der Vorwurf. Panahi hatte bei den Wahlen 2009 offen die Opposition der „Grünen Bewegung“ gegen Präsident Mahmud Ahmadinejad unterstützt. Nach mehrmonatiger Haft, Hungerstreik und Freilassung gegen Kaution wurde Panahi im Dezember 2010 zu sechs Monaten Haft und 20 Jahren Berufsverbot verurteilt: Weil er einen regimekritischen Film über die Wahlen und die folgenden Ausschreitungen geplant habe. Dasselbe Urteil erging gegen seinen Kollegen Mohammed Rasoulof. Im Hausarrest warteten die zwei Filmemacher auf die Vollstreckung.

In einem Kuchen außer Landes gebracht


Dann tauchten plötzlich im Mai 2011 Arbeiten von beiden beim Filmfestival Cannes auf: Rasoulof durfte sogar nachträglich anreisen. Nicht so Panahi, dessen gemeinsam mit dem Dokumentaristen Mojtaba Mirtahmasb realisiertes Projekt „This Is Not A Film“ auf einem USB-Stick in einem Kuchen außer Landes geschmuggelt worden war: Ein bescheiden anmutendes Hausarrest-Home-Movie, das sich als raffiniertes und mit viel Galgenhumor serviertes Meta-Selbstporträt entpuppt: Was wie ein direktes Dokument eines Tages aus Panahis zermürbender Wartephase auf das Urteil wirkt, ist tatsächlich ein modernes Konzeptkunststück, das über zehn Tage hinweg gedreht wurde.
Erstes Bild: eine komfortable Hochhauswohnung mit schöner Aussicht auf Teheran. Panahi kommt herein, setzt sich an den Küchentisch und ruft Mirtahmasb an. Der solle vorbeikommen: „Ich habe ein paar Ideen.“ Panahi macht Tee, füttert den Leguan seiner Tochter und telefoniert mit seiner Anwältin. Eindeutig hantiert der mit Berufsverbot belegte Filmemacher nicht mit der Kamera – hat sie jemand laufen lassen oder ist Mirtahmasb schon da, ohne dass es erkennbar ist?
Und dann beginnt Panahi einen Film zu machen, ohne die Auflagen zu brechen. Er zieht DVDs seiner Filme aus dem Regal (lesbar ist nur ein Titel: der des US-Thrillers „Buried“) und vergleicht die unvorhersehbaren Reaktionen seiner Laiendarsteller mit der eigenen Situation: Panahi findet sein Auftreten unglaubwürdig, obwohl er aufrichtig und gutmütig wirkt. Bald stellt er im Wohnzimmer – mit Markierungen am Boden – jenes Drehbuch nach, das vom Regime abgelehnt wurde. Auch Schreiben mag ihm nun untersagt sein, aber Vortragen darf er noch: Es ist die Geschichte eines Mädchens, das die Eltern daheim eingesperrt haben, damit es nicht zur Universität geht. Nach anfänglichem Enthusiasmus bricht Panahi ab: Wozu Filme drehen, wenn man sie einfach erzählen kann? Von draußen hört man Polizeisirenen und Krachen: Was wie ein Belagerungszustand klingt, ist ein Feuerwerk zum iranischen Neujahrsfest. Paranoia überall.
Mit minimalen Mitteln wird eine kafkaeske Welt entworfen: Zuletzt filmt Panahi, erst mit dem iPhone, dann übernimmt er die Kamera von Mirtahmasb. (Der wurde auch prompt verhaftet, ist inzwischen gegen Kaution frei.) Panahi trifft im Aufzug einen freundlichen Mann: vielleicht ein Informant. Der warnt: „Herr Panahi, gehen Sie nicht hinaus. Man wird Sie mit der Kamera sehen.“ Der Kamerablick durch die Eisenstäbe des Tors zeigt Brände in den Straßen: Es ist der Tag des traditionellen Mittwochsfeuers. Aber es sieht aus wie Krieg. Vom Leben in Ungewissheit. Egal, ob das ein Film ist oder nicht: Es ist ein unerhörter politischer Akt.

Kino aus dem Iran

Erstmals einen Oscar hat das iranische Kino heuer für sich verbucht: Für Asghar Farhadis „Nader und Simin – Eine Trennung“ gab es den Preis für den besten fremdsprachigen Film. Dessen Fertigstellung wurde erst gestattet, als sich Farhadi für die Erwähnung emigrierter und mit Berufsverbot belegter Kollegen bei einer Dankesrede entschuldigt hatte. Der bekannteste dieser Fälle ist Jafar Panahi, der 2012 den Sacharow-Preis des Europäischen Parlaments erhielt. Jafar Panahi ist dabei keineswegs ein Einzelfall. Seine Karriere ist auch typisch für den Boom des iranischen Kinos auf Festivals: Seit den 1990ern werden Regisseure wie Abbas Kiarostami international gefeiert und vielfach ausgezeichnet. In der Heimat dürfen ihre Filme aber oft gar nicht aufgeführt werden.

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