„Hellfjord“: „Braunschlag“ trifft „Twin Peaks“

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Eine Mystery-Groteske mit Ausbaupotenzial: Hollywood-Star Will Ferrell plant schon das Remake der norwegischen TV-Serie. Heute wird sie in Wien gezeigt.

Ein sensationeller Einstieg: Ausgerechnet beim jährlichen Unabhängigkeitstag-Festumzug in Oslo stürzt Gunnar, das geliebte Pferd des berittenen Polizisten Nesbit Salmander. Nach einem Blick in die Dienstvorschrift ringt er sich zum tränenreichen Gnadenschuss-Entschluss durch. Leider überlebt der treue Gunnar den ersten Treffer. Auch die nächsten: Unter den Blicken entsetzter Familien leert der schluchzende Salmander sein Magazin. Vergebens. Als er zur Tuba eines Festmusikanten greift, um der Sache ein blutiges Ende zu bereiten, ist der Eklat perfekt. „Pferdemörder-Polizist!“ titeln die Zeitungen, Salmander wird strafversetzt: Die drei Monate bis zu seiner Entlassung muss er im schlimmsten Hinterland Norwegens absitzen – in Hellfjord.

Etwas ist faul (nicht nur) in der Fischfabrik

Die norwegische Low-Budget-Fernsehserie „Hellfjord“ hat 2012 daheim für Furore gesorgt, dann auf internationalen Filmfestivals. Inzwischen haben Comedy-Star Will Ferrell und sein (Regie-)Spießgeselle Adam McKay die Remake-Rechte erworben: Für den Sender „Showtime“ soll die Story in die USA verlegt werden. Unter Federführung der Original-Kreativen: Salmander-Darsteller Zahid Ali, ein erfolgreicher Stand-up-Comedian, hat „Hellfjord“ mit dem Kollegen Stig Frode Henriksen und dessen Leibregisseur Tommy Wirkola („Dead Snow“) geschrieben.

Mit dem US-Interesse schließt sich auch ein Kreis. Denn die erste Staffel der Serie (sieben halbstündige Teile) ist sichtlich von ambitionierten Mystery-Shows aus Übersee wie „Twin Peaks“ inspiriert. Salmanders absurde Abenteuer zeigen rasch, dass im entlegenen nördlichen Fischerdorf etwas faul ist. Nicht nur in der Fischfabrik, die den Großteil der leidenschaftlich kettenrauchenden Bevölkerung beschäftigt und von einem (prinzipiell verdächtig!) Schweden namens Bosse Nova geleitet wird. Die meisten Entdeckungen macht freilich eine ebenfalls zugezogene Journalistin (Ingrid Bolsø Berdal): Die Polizei ist mehr mit eigener Inkompetenz beschäftigt, so wie Norwegens (ab Folge zwei erforschtes) Gefängniswesen aus Überlastung an Klopapiermangel laboriert.

Die Macher setzen also auch auf saftige Provinzgroteske, gar nicht so weit etwa vom heimischen „Braunschlag“: Gerade Salmanders Hilfssheriff Koppa, von Koautor Henriksen mit Greisenmaske und vorstehenden Zähnen (wie Roland Düringer in „MA 2412“) gespielt, ist ein Inbegriff stoischer Hinterwäldler-Renitenz. Seine finnische Katalogehefrau – billig dank „schlechter Kartoffelernte“ – muss große Duldungsfähigkeit zeigen.

Die parodistische Schlagseite hilft auch Budgetmängel zu kompensieren, ohne das Unheimliche völlig an Holzhammerpointen zu opfern. Ein origineller Ansatz mit Ausbaupotenzial: Die im Hintergrund herumlungernden Satanisten warten wohl auf Staffel zwei. „Hellfjord“ wurde eben beim erfolgreichen Jubiläum des Linzer Filmfestivals „Crossing Europe“ vorgestellt, heute ab 20Uhr kommt die Serie mit dessen Genreschiene in Wien an – als „Slashing Europe“. Die Neuentdeckungen sind um zwei Meisterwerke eben verstorbener spanischer Regisseure ergänzt: Bigas Lunas Meta-Horror-Knüller „Angustia – Anguish“ (1987) sowie „Das Bildnis der Doriana Gray“ (1977), ein Sexdelirium von Trash-Gott Jess Franco.
„Slashing Europe“: 2. und 3.Mai im Wiener Filmcasino. Info: www.slashfilmfestival.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.05.2013)

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