„Sieben verdammt lange Tage“: Ein Knoten namens Familie

„Sieben verdammt lange Tage“
„Sieben verdammt lange Tage“(C) Warner
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In „Sieben verdammt lange Tage“ findet sich eine chaotische Familie am Grab des Vaters ein. Shawn Levys Romanverfilmung ist manchmal überzeichnet, aber reizvoll.

Judd Altman ist einer von den Guten: Er ist freundlich und zuvorkommend, bringt seiner Assistentin morgens Kaffee und seinem Boss ein Erfrischungsgetränk mit ins Büro. Am Geburtstag seiner Frau Quinn verlässt er seine Arbeit in einem Radiosender früher, um sie zu überraschen. Daheim angekommen platzt er jedoch in eine unerwartete Szene: Seine Frau und sein Vorgesetzter haben eine Affäre. Mit der Geburtstagstorte in Händen sinkt er auf einen Stuhl neben dem Bett – Quinns Entschuldigungen hört er gar nicht mehr.

Tage später führt Judd ein Leben auf der Couch. Ohne Frau und ohne Job in eine Decke gekuschelt, würgt er alle Anrufe Quinns ab. Als seine Schwester Wendy sich meldet, kommt die nächste Hiobsbotschaft: Nach langer Krankheit ist ihr Vater gestorben, ohne dass Judd ihn noch einmal gesehen hätte. Ihre resolute Mutter Hillary besteht darauf, dass die Familie den letzten Wunsch des Verstorbenen erfüllt: Das jüdische Ritual Schiv'ah, eine siebentägige Trauerphase, soll die Hinterbliebenen unter einem Dach zusammenführen.

Mit „Sieben verdammt lange Tage“ verfilmte der kanadisch-amerikanische Regisseur Shawn Levy den gleichnamigen Roman des amerikanischen Schriftstellers Jonathan Tropper. Tropper, der auch das Drehbuch verfasste, entwickelt die Familiengeschichte – im Handarbeitsjargon gesprochen – vom losen Fadenhaufen zum Strickwerk. Dazwischen steckt allerdings noch ein komplizierter Knoten, der sich bereits am Grab des Vaters ankündigt, an dem sich alle Familienmitglieder einfinden: Judd, Wendy mit ihrem Lebenspartner und ihren Kindern, ihr Bruder Paul und seine Frau Alice sowie Phillip, der Jüngste unter den vier Geschwistern.

Levy hält sich nicht damit auf, die Figuren vorzustellen. Die Zuseher werden in das familiäre Chaos hineingeworfen. Mutter Hillary, Therapeutin und erfolgreiche Buchautorin, erscheint mit frisch aufgepumpten Brüsten. Judd verbreitet die Lüge, dass Quinn aufgrund eines Sportunfalls nicht dabei sein könne. Der verantwortungsvolle Paul hält die Grabrede, während Sonnyboy Phillip im Porsche mit lauter Musik heranrast, als käme er zu spät zu einer Silvesterparty.

Familie der Verkorksten

Richtig komplett wird der Knoten, nachdem die Trauergesellschaft im elterlichen Haus eingetroffen ist. Nachbarin Linda und ihr Sohn Horry sowie Phillips Fast-Verlobte, Tracy, und Judds Jugendfreundin Penny tauchen auf. Der junge Rabbi Charles, der die Familie in ihrer Trauer begleitet, weist Hillary und ihren Kindern die Schiv'ah-Stühle zu: ungepolsterte Sitzplätze, die im Wohnzimmer aufgereiht wurden, um sieben Tage lang darauf die Trauergäste zu empfangen. Dass das Plaudern und gemeinsame Erinnern nicht so recht in Gang kommen wollen, ist kein Wunder: Alle Beteiligten haben ihre Konflikte und Probleme mitgebracht. „Es ist hart, Menschen aus der Vergangenheit zu sehen, wenn deine Gegenwart so verkorkst ist“, fasst Judd es zusammen. Aber Horry, der aufgrund einer Verletzung noch im Haus seiner Mutter lebt, muss er das nicht sagen.

Shawn Levy, als Regisseur von Werken wie „The Pink Panther“, „Date Night“, „Im Dutzend billiger“ und der „Nachts im Museum“-Trilogie auf seichte Komödien spezialisiert, hat mit „Sieben verdammt lange Tage“ eine sehenswerte Tragikomödie geschaffen. Zwar hat der Film brachiale Momente; er findet davon abgesehen aber eine reizvolle Position zwischen melancholischen, amüsanten, nachdenklichen und berührenden Szenen.

Levy lässt sich viel Zeit, um die Beziehungen ans Licht zu bringen und die Charaktere der Figuren zu entfalten: Jede hat ihr gegenwärtiges Thema und eine Vergangenheit, die sie im komplexen Familiengefüge platziert. Manchmal überzeichnet, aber lebensnah genug konzentriert sich „Sieben verdammt lange Tage“ vor allem auf die Geschwister: Sie necken, beleidigen und unterstützen einander, sprechen sich Sorgen von der Seele und sagen sich die Wahrheit ins Gesicht, betrinken sich und geraten in Prügeleien. Levys Werk gehört zu jenen seltenen Glücksfällen figurenreicher Filme, in denen alle Charaktere Raum erhalten und sich entwickeln – bis sich aus dem Knoten namens Familie langsam ein neues, liebevolleres Strickwerk bildet.

Schöne Szenen mit Jane Fonda

Als Anker der Geschichte fungiert die Figur Judd: Im Geschwisterquartett der Ruhigste und Verständnisvollste, versucht er zu vermitteln, muss sich aber auch mit seiner eigenen Lebenskrise und dem Tod des Vaters auseinandersetzen. Jason Bateman glänzt in der Hauptrolle mit großer emotionaler Bandbreite und teilt mit Jane Fonda als doch nicht so schrecklicher Hillary einige der schönsten Szenen des Films. Tina Fey als Wendy, Timothy Olyphant als Horry sowie „Girls“-Star Adam Driver als Phillip erfreuen ebenfalls im Cast.

Das musikalisch reich untermalte Ende erscheint zunächst fast zu zuckrig, ist in seiner hoffnungsfrohen Offenheit auf den zweiten Blick aber passend.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.09.2014)

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