"Der Knochenmann" im Kino: Gulasch, Groteske und Grauen

(c) Petro Domenigg
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Josef Hader im bislang besten Brenner-Film: Murnbergers "Der Knochenmann" knüpft locker an etablierte Geografien des Unheimlichen an.

Ganz ruhig sieht es aus, das Wirtshaus Löschenkohl: Aber der Privatermittler Simon Brenner (genial: Josef Hader) ahnt bereits kurz nach seiner Ankunft, dass schon wieder irgendwas passiert ist. Eigentlich hätte der pragmatische Großstädter in der steirischen Provinz nur ein Auto kassieren sollen: ein Auftrag seines cholerischen Spezis Berti (brüllend, komisch: Simon Schwarz).

Nachdem der Fahrzeughalter, ein Künstler namens Horvath, nicht anzutreffen ist, bucht sich der Brenner einfach selbst im Gasthof ein. Und schön langsam wird es finster und sinister. Hoch über dem Talkessel thront eine Autobahnbrücke, führt alle Fahrenden in sicherer Distanz an diesem vergessenen Ort vorbei. Um dort unten zu landen, muss man entweder einheimisch, Teilnehmer an einer Kaffeefahrt mit angeschlossenem Werbeessen im Gasthof sein – oder eben der Brenner.

Umleitung ins Unheimliche

Regisseur Wolfgang Murnbergers Lokalisierung des Geschehens von Wolf Haas' Kriminalroman knüpft locker an etablierte Geografien des Unheimlichen an. Man darf sich an das Bates Motel aus Hitchcocks Psychoerinnern: ein durch die Umleitung einer Autobahn stillgelegter Ort, an dem dann das Triebhafte aus den Spießerleben hervorbricht. Oder an die falsche Abzweigung, die in Wes Cravens Terrorfilm-Meilenstein The Hills Have Eyes eine Durchschnittsfamilie ins Herz der Finsternis führt – und in die Fänge einer kannibalischen Inzestbrut.

Zwielichtige Geschäfte, zarte Gefühle

Im Löschenkohl kommt zwar vorwiegend paniertes Hendl auf den Tisch, aber die Juniorwirtin Gitti (blond, resolut und ziemlich fantastisch: Birgit Minichmayr) weiht den Brenner immerhin in die Wiederverwertungspolitik des Hauses ein: Die Knochen der Hühner werden zermahlen und ans noch gackernde Federvieh verfüttert. „Nicht gerade das, was man Kreislauf des Lebens nennen würde“, bemerkt Brenner. Recht hat er, aber das natürliche Gleichgewicht hat im Löschenkohl sowieso an Wirkkraft verloren. Denn der Seniorchef (brachial: Josef Bierbichler) scheint in zwielichtige Geschäfte mit kriminellen Banden verstrickt und verpulvert das gesamte Familienvermögen, somit auch das Erbe von Sohn Pauli (manisch, gut: Christoph Luser). Und während der Brenner Gulasch isst, rattert im Keller die Knochenmehlmaschine.

Der Knochenmann ist Murnbergers dritte Verfilmung eines Brenner-Buchs von Haas und die bisher beste: viel Gespür für die Figuren, dialogische Brillanz und ein feiner Seiltanz zwischen Groteskem und Alltäglichem machen den Film – der von der Vorlage sehr stark abweicht – zur so opulenten wie lakonischen Horrorkomödie. Kleinere dramaturgische Schlaglöcher und unnötige inszenatorische Extravaganzen (besonders unangebracht: der an TV-Knaller wie „CSI“ erinnernde Vorspann) werden einmal mehr von Haders nuancenreicher Darstellung des Existenzialisten Brenner vergessen gemacht – auch weil der Figur dieses Mal außergewöhnliche emotionale Herausforderungen gestellt werden. Denn je länger sich der Brenner mit Minichmayrs Gitti beschäftigt, desto wärmer wird ihm ums Herz. Zu einer Coverversion des Opus-Sauflieds „Live Is Life“, stellt sie sich dann auch ein, diese unwahrscheinlichste und vielleicht schönste aller österreichischen Liebesgeschichten.

Die Grausamkeiten in den Kellern

Es ist die Kür eines jeden absurden Films, seine Zuseher dramaturgisch so in das Geschehen einzubinden, dass sie schließlich alles als Wirklichkeit akzeptieren. Da kann Der Knochenmann zum Ende hin auch sehr tief in die Irrwitzkiste greifen, ohne dass das Handlungsgerüst scheppert: Weil man dem Brenner bis in die Hölle folgen würde. Weil man weiß, dass er irgendwie wieder an die Oberfläche kommen und diesen Talkessel – wenn auch lädiert – hinter sich lassen wird. Und da der Brenner mit seinem Gleichmut, mit seiner Wurschtigkeit die ganzen Grausamkeiten anzieht, die in österreichischen Kellern wie in dem vom Löschenkohl passieren, weil er sich wie das natürliche Gegengewicht dazu verhält, wird er am Ende sagen: „Jetzt ist schon wieder was passiert.“ Und gleich darauf: „Geh scheißen!“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.03.2009)

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