Jacques Cousteaus moralischer Konflikt mit dem Lieblingssohn

Cousteau (Lambert Wilson) beim Tauchen mit Ehefrau Simone (Audrey Tautou) und Söhnen.
Cousteau (Lambert Wilson) beim Tauchen mit Ehefrau Simone (Audrey Tautou) und Söhnen.(c) Thimfilm
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Das brave Biopic „Jacques – Entdecker der Ozeane“ über den Meeresforscher und Fernsehstar Jacques Cousteau lässt viel aus. Regisseur Jérôme Salle legt den Schwerpunkt auf die Beziehung Cousteaus zu seinem Sohn Philippe. Dem Film fehlt aber der Elan seines Titelhelden.

Die Handlung des Films „Jacques – Entdecker der Ozeane“ setzt zu einem Zeitpunkt ein, an dem Jacques Cousteau (Lambert Wilson) bereits die ersten entscheidenden Schritte in Richtung Legende gemacht hat. Er hat das vom Österreicher Hans Hass entwickelte Drucklufttauchgerät weiterentwickelt und dreht erste Unterwasserfilme mit seinen Freunden, die ebenfalls bei der französischen Marine arbeiten. Die Filme führt er auf Partys in seinem Haus an der Mittelmeerküste vor, in dem er mit seiner Frau Simone (unterfordert: Audrey Tautou) und den beiden gemeinsamen Söhnen Jean-Michel und Philippe lebt. Später zeigt er sie in Pariser Kinos, mit wachsendem Erfolg. Von hier ist es nur mehr ein kleiner Sprung bis zum Kauf der Calypso, die er zum Forschungsschiff ausbaut und zum Wechsel von der großen Leinwand ins lukrativere Fernsehen, durch das er berühmt wird. Von seinen Anfängen und seinen Beweggründen erfährt man kaum etwas. Warum hat ihn das Meer so fasziniert? Die einzige Erklärung, die der Film liefert, klingt oberflächlich: Das Tauchen sei Ersatz für das Fliegen, weil er nach einem Unfall nicht mehr Pilot werden konnte.

Freilich ist es schwierig, ein Biopic über jemanden zu machen, den die ganze Welt kennt. Über einen Mann, der eine rote Wollhaube aufsetzte, um eine Marke zu werden. Regisseur Jérôme Salle legt seinen Schwerpunkt auf die Beziehung Costeaus zu seinem jüngeren Sohn Philippe, der – das erfährt man schon in einer Vorblende – als Erwachsener mit dem Flugzeug abgestürzt ist. Als Zuschauer macht man sich ständig Sorgen um ihn. Im Kindesalter schleicht er sich nachts ans Meer, als Erwachsener (Pierre Niney) kommt er Haien gefährlich nahe. Zu diesem Zeitpunkt ist er schon Kameramann bei seinem Vater und prägt maßgeblich dessen Filme. Während Cousteau senior ständig nach neuen Aufregungen sucht, um seine Zuschauer zu halten, erwacht im Junior ökologisches Bewusstsein. Das führt zum – vorhersehbaren – moralischen Konflikt zwischen Vater und dem idealistischen Lieblingssohn.

Die zweite Frau? Kommt nicht vor

Cousteaus älterer Sohn Jean-Michel (Benjamin Lavernhe) bleibt hingegen Statist, obwohl er ebenfalls in der wachsenden Firma seines Vaters arbeitete. Im Bild ist er bloß, wenn es um Geldsorgen geht. Nicht nur die Calypso verschlingt Geld, auch Erfindungen wie Unterwasserbauten, Tauchboote, tauchende Untertassen etc.

Die Geschichte bewegt sich zwar zügig voran, wirft immer wieder Schlaglichter auf die Familie, ohne ein Ganzes zu ergeben – wie Schnappschüsse. Doch was darauf nicht zu sehen ist, ist nicht existent. Dass Cousteau seine Frau betrügt, erfährt man nebenbei. Die zweite Frau, mit der er noch zwei Kinder hatte? Nicht existent. Der Erbstreit mit Jean-Michel? Kein Thema, der Film endet schon vorher, in einer versöhnlichen Szene.

Die Unterwasseraufnahmen sind beeindruckend – wie man es von einem Biopic über Cousteau erwarten darf. Doch die schräge Dynamik von Cousteaus eigenen Filmen fängt „Jacques“ nicht ein. Der echte Jacques Cousteau machte sich die Zuschauer zu Komplizen, indem er sich und seine Crew in den Mittelpunkt stellte – er ließ einen teilhaben an den Abenteuern (wobei teils ein bisschen nachgeholfen wurde). Spürbarer ist dieser Elan in Wes Andersons kurioser Tragikomödie „Die Tiefseetaucher“ (2004), im Original „The Life Aquatic with Steve Zissou“. Bill Murray brilliert darin als Meeresforscher, der zwar einen anderen Namen trägt, aber Cousteau nachempfunden ist – bis hin zur roten Wollhaube. Die Fakten mögen in diesem Film nicht stimmen, unterhaltsamer ist er auf jeden Fall.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.12.2016)

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