"Soul Kitchen" im Kino: Ei ohne Hirn

(c) Polyfilm
  • Drucken

Penetrantes Fusion Cooking mit ärgerlichen Klischeezutaten: Fatih Akins enthusiastisch blödes Hamburg-Lustspiel „Soul Kitchen“. Bei der Witzmode herrscht unbedingter Bartzwang.

Am besten, man versucht sich zwei Jahre zurückzuversetzen, um die seltsame Situation des deutsch-türkischen Filmemachers Fatih Akins nachzuvollziehen: Eben hat sein bedeutungsschwangeres Episodendrama Auf der anderen Seite einen Nerv getroffen. Das naive Winken mit Zeitgeistzaunpfählen rund um EU-Beitrittsängste und matschiger Rhetorik zwischen Verlust und Versöhnung hat sich gelohnt. Aber irgendwie muss Akins auch mulmig geworden sein, als sein preisgekröntes Planspiel zwischen Hamburg und Istanbul – wie so gern bei Werken mit „wichtigen Themen“ – hauptsächlich Drehbuchauszeichnungen erhielt. Dabei hat der Filmemacher selbst zugegeben, dass sein symbolschweres Konstrukt hoffnungslos überfrachtet sei. Seiner Ansicht nach hat er es dann im Schneideraum mit Cutter Andrew Bird gerettet.

Das darf man auch bezweifeln, aber die Umstände könnten jedenfalls die Logik hinter Akins neuem Film Soul Kitchen erklären: Ob diese betont leichtgewichtige Klischeekomödie um Essen, Liebe und Musik überhaupt ein Drehbuch hatte, ist nämlich höchst fragwürdig. Allenfalls scheint Akin so etwas wie die Umrisse eines Skripts verfilmt zu haben: Die Handlung vorhersehbar zu nennen, wäre einerseits schamlose Untertreibung – noch jede wohlbekannte Wendung wird vorsichtshalber vorweggenommen, jede Dialogzeile dient nur funktionalen Zwecken, das Personal ist als austauschbare Ansammlung bewährter Witzfigurenzüge charakterisiert, die das Ensemble hemmungslos übertreiben darf. Bei der Witzmode herrscht aber unbedingter Bartzwang.

Andererseits ist jede Zutat dieses kulinarisch verbrämten Kintoppeintopfs schon so abgelutscht, dass man zwischendurch öfter die Orientierung verlieren kann: Welches Klischee gehörte nochmal zur welcher Klischeefigur? Aber glücklicherweise ist es auch irgendwie egal, ist doch alles gleich banal. In der titelgebenden Hamburger Kneipe kriegt man wohl Ei, aber kaum Hirn.

Insofern geht's einfach drunter und drüber, wie's gebraucht wird: Deutsch-Grieche Zinos (Adam Bousdoukos) will sein heruntergekommenes Lokal retten – da kommt der Gefängnisfreigang seines Schwierigkeiten magisch anziehenden Bruders (Moritz Bleibtreu) gerade recht. Zwischen Zinos' Herzleid (Freundin in Asien), geschäftlichen Intrigen samt vor der Tür stehender Finanzbeamtin und unleugbaren Positionierungsproblemen – der neue Koch (Birol Ünel) will Haute Cuisine servieren, die proletarische Stammkundschaft vermisst fettriefenden Fraß – wird enthusiastisch mit jener Art von Witz hausieren gegangen, der schon traditionsreiche Tantenverkleidungsfarcen behübschte und auch in ambitionslosen Vorabend-Comedyserien nie fehl am Platz ist.

Mampf für die Massen

Allein in der anscheinend aufrichtigen, aber auch alsbaldigst anstrengenden Begeisterung, mit der hier Blödheit serviert wird, unterscheidet sich Soul Kitchen ein wenig von US-Durchschnittsware, vielleicht noch im angelegentlichen Ko-Missbrauch von unamerikanischem Liedgut wie „La Paloma“ für den angeblich so souligen Soundtrack – der aber auch letztlich nach demselben seelenlosen Fusion-Cooking-Prinzip erstellt scheint wie der Film rundherum: Mampf für die Massen. Na, Mahlzeit! Denn herausgekommen ist dabei unweigerlich Einheitsbrei – der verstörenderweise in Venedig einen Hauptpreis gewann, weswegen in der von Minderwertigkeitskomplexen geplagten deutschen Filmlandschaft jetzt so getan wird, als sei das Kunst. Da könnte Akin gleich wieder mulmig werden.

ZUR PERSON

Regisseur Fatih Akin wurde 1973 als Sohn türkischer Einwanderer in Hamburg geboren. Seit er 16 war, verfolgte er seinen Weg ins Filmbusiness, besuchte die Filmschule, debütierte 1998 als Spielfilmregisseur mit „Kurz und schmerzlos“. Mit „Gegen die Wand“ wurde er 2004 bekannt und u. a. mit dem Goldenen Bären der Berlinale ausgezeichnet. 2008 begann Akin eine Zusammenarbeit mit Emir Kusturica an dem Projekt „Mamarosch“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.12.2009)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.