Christoph Waltz: Tragender Teil des Tarantino-Universums

Christoph Waltz Tragender Teil
Christoph Waltz Tragender Teil(c) EPA (FACUNDO ARRIZABALAGA)
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"Quentin gab mir meine Berufung zurück", sagt der österreichische Schauspieler über seinen "Entdecker" Quentin Tarantino.

Als die Oper von Los Angeles Richard Wagners „Ring des Nibelungen“ aufführte, überredete Christoph Waltz seinen Hollywood-Mentor und „Entdecker“ Quentin Tarantino, ihn zu einer Vorstellung zu begleiten. Die „Siegfried“-Saga inspirierte den Regisseur, der sich in seinem Aushilfsjob in einem Videoverleih ein stupendes Filmwissen angeeignet hat, zu der Figur der schwarzen Sklavin Broomhilda von Shaft, die schon zuvor in seinem Kopf herumgegeistert war. Und so verquirlt der Film „Django Unchained“ die deutsche Nibelungensage, den Spaghetti-Western und die schwarzen Blaxploitation-Filme der 1970er-Jahre (als Hommage an den Detektiv Shaft).

Der Wiener Bildungsbürger Waltz, als Sohn eines Bühnen- und Kostümbildner-Ehepaars mit Theater und Oper groß geworden, lässt sich die Episode auf der Zunge zergehen, als er in der „Charlie Rose“-Show über die Dreharbeiten und seine Freundschaft mit dem ungleichen Kompagnon Tarantino erzählt. Der 56-Jährige genießt jeden Aspekt seiner späten Hollywood-Karriere in vollen Zügen, selbst die PR-Auftritte in den US-Talkshows, in denen er über seine Zusammenarbeit mit Regisseuren wie Roman Polanski und deren Kunstfertigkeit schier in Verzückung gerät. Polanski engagierte Waltz an der Seite Jodie Fosters, Kate Winslets und John C. Reillys für die Verfilmung des Yasmin-Reza-Stücks „Carnage“ („Der Gott des Gemetzels“).

Seit Waltz vor dreieinhalb Jahren in der Rolle des Nazi-Offiziers Hans Landa in dem Tarantino-Film „Inglorious Basterds“ mit maliziös-verschlagenem, Wienerischem Charme in Hollywood für Furore sorgte, gehört er zum Tarantino-Stammensemble. Die Parts des Hans Landa und des Dr. King Schultz, des deutschen Dentisten und Kopfgeldjägers in „Django Unchained“, haben Waltz schon jetzt einen Eintrag in den Filmannalen gesichert – wie die Robert-De-Niro-Figuren des Travis Bickle („Taxi Driver“) und des Boxers Jake La Motta. Ohne Waltz, so bekräftigt Tarantino es ein ums andere Mal, hätte er die Filme nicht gedreht. Und in beiden Rollen stiehlt der ehemalige TV-Schauspieler renommierten Stars wie Brad Pitt oder Leonardo DiCaprio mit Verve vollends die Show.

Nach dem Oscar für die beste Nebenrolle 2010 und seinen eloquenten Dankesreden wurde die Filmwelt auf dem Österreicher aufmerksam. Er konnte sich vor Angeboten kaum retten. Die Rolle des Sigmund Freud in David Cronenbergs „A Dangerous Method“ („Dunkle Begierde“), eigentlich ihm auf den Leib geschneidert, musste er ausschlagen, weil er als Bösewicht für den Blockbuster „The Green Hornet“ und als Zirkusdirektor in „Wasser für Elefanten“ gebucht war.

Endlich kann Waltz vor ganz großem Publikum sein Können zur Schau stellen, wie neulich in „Saturday Night Live“, der Satireshow mit Kultcharakter auf NBC – als pensionsreifer Papst und als „Djesus Uncrossed“ mit Dornenkranz und Samuraischwert. Als ausgebildeter Sänger stellte er in der Varieténummer „Smile, Damn You, Smile“ auch seine Vielseitigkeit unter Beweis, die er unter anderem im Reinhardt-Seminar und an der Lee-Strasberg-Schule in New York erworben hat.


Rettung aus dem Mittelmaß. Nicht oft genug kann er betonen, wie viel er Tarantino zu verdanken hat, wie er ihm eine neue Welt eröffnet und wie er ihn aus dem Mittelmaß des deutschen Fernsehens gerettet hat: „Quentin gab mir meine Berufung zurück.“ Dabei hat Waltz als Roy Black in „Du bist nicht allein“ oder als Entführer des Industriemagnaten-Sohns Richard Oetker in „Der Tanz mit dem Teufel“ Lob und Lorbeeren gesammelt. „Ich habe den Glauben an mich verloren, ich war frustriert“, bekannte er im Plauderton gegenüber Talkshow-Moderator Charlie Rose. „Ich habe gehört, als ein deutscher Produzent sagte: ,Der ist für schräge, kleinere Rollen geeignet.‘ Das tat weh.“ Umso größer ist nun die Genugtuung, da er demnächst Michail Gorbatschow in „Reykjavik“ spielt. Mit feinem Humor gab er zum Besten, wie er bei den „Django“-Dreharbeiten vom Pferd fiel – und mit wehem Hintern die Filmcrew Wochen warten ließ.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.02.2013)

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