Fazit nach „Game of Thrones“: Die schwächste Staffel

Game of Thrones - Das Lied von Eis und Feuer
Game of Thrones - Das Lied von Eis und Feuer(c) HBO
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Die „Game of Thrones“-Fans kritisieren das Ende der epischen Fantasyserie scharf. Zu recht, denn die achte Staffel hat große Mängel. Und ja, auch Feminismus spielt eine Rolle.

Spoiler für alle acht Staffeln!

„Es fühlt sich nicht richtig an“, sagt Jon Snow in dem Finale von „Game of Thrones“ zu Tyrion Lannister und der antwortet: „Frag mich in zehn Jahren noch einmal.“ Der Dialog lässt sich auf die letzte Folge, eigentlich die letzte Staffel insgesamt, umlegen. Für viele Fans der epischen Fantasyserie, die im Mittelalter spielt, fühlt sie sich nicht richtig an. Das lässt sich aus den sozialen Medien herauslesen und aus den Bewertungen auf der Filmdatenbank IMDb. „The Iron Throne“, so der Titel der letzten Episode, kommt auf lediglich 4,3 von 10 Sternen. Damit ist das Finale die mit Abstand am schlechtesten benotete Folge der Serie insgesamt. Das Urteil kommt nicht von einer kleinen Gruppe von Fans, fast 185.000 registrierte User haben ihre Stimme bis Freitagmittag abgegeben. Mehr als eine Million Zuschauer sprachen sich zudem in einer Online-Petition für eine Neuverfilmung der letzten Staffel aus – mit „kompetenten Autoren“, wie sie provokant fordern.

In der Sache ist die Kritik gerechtfertigt, in der Härte vermutlich übertrieben. Wird man in zehn Jahren milder auf das Finale zurückschauen? Vielleicht. Vielleicht schärft der Abstand aber auch noch den Blick auf die Mängel, wie bei der zweiten „Star Wars“-Trilogie.

Die Drehbuchautoren David Benioff und D.B. Weiss haben sich zur Kritik bislang nicht geäußert. Vorlagenautor George R.R. Martin schrieb auf seinem Blog zwar über das Ende, aber nicht, wie er es gefunden hat. Er sei vielbeschäftigt, notierte er: Derzeit arbeite er (als Produzent) an fünf neuen Serien für HBO, zwei für den US-Streamingdienst Hulu und an einer für den History Channel. Daneben schreibe er. Der sechste Band der „Game of Thrones“-Vorlage „A Song of Ice and Fire“ mit dem Titel „Winds of Winter“ sei weit gediehen, aber über die Veröffentlichung will er nichts verraten. Danach werde er den letzten Band „A Dream of Spring“ schreiben, verspricht er. Ob die Buchreihe gleich ausgehen werde wie die Serie? „Ja. Und Nein.“ Man solle aber nicht vergessen, dass Benioff und Weiss bloß sechs Folgen gehabt hätten, um das Ende zu erzählen, während er vermutlich 3000 Seiten dafür brauchen werde.

Der Gärtner und die Architekten

Hier sei der Fehler der letzten Staffel zu finden, schreibt das Magazin „Wired“. Staffel acht fühle sich nicht richtig an, weil sich die Art des Schreibens geändert habe. Nach Staffel fünf musste „Game of Thrones“ ohne Vorlage auskommen, wobei Martin Benioff und Weiss in einige Schlüsselmomente der Handlung eingeweiht hat. Während Staffel sechs noch von der Vorlage zehren und gleichzeitig die neue erzählerische Freiheit ausleben konnte, heben sich Staffel sieben und acht vom Tempo der Handlung und der Figurenentwicklung von den Vorgängerstaffeln ab.

Das liege daran, dass Martin völlig anders schreibe als Benioff und Weiss, meint „Wired“. Martin erfinde Figuren und lasse sich dann von deren Entwicklungen leiten. Benioff und Weiss hingegen würden die Handlung konzipieren und die Figuren würden an diesem Gerüst entlang geführt. Beides hat Vorteile: Martins Figuren sind lebendig und verändern sich sich, doch entgleiten sie – und damit die erdachte Handlung – ihm dadurch (siehe Band vier „A Feast For Crows“). Dagegen ist die Handlung von Benioff und Weiss strukturiert ist und führt zum gewünschten Ende. Die Figuren wirken dadurch aber zuweilen hölzern, ihre Entscheidungen sind nicht immer nachvollziehbar. Martin sei ein Gärtner, schreibt „Wired“, der seine Figuren wie Pflänzchen hege und pflege, Benioff und Weiss hingegen seien Architekten.

Berücksichtigt man diese Veränderung in der Gestaltung der Serie, ist die Enttäuschung der Fans nachvollziehbar – selbst wenn das Ende dem der Buchreihe gleicht. Wie die Figuren dorthin kommen, wird sich unterscheiden.

Wo liegen die Probleme von Staffel acht konkret? Hier einige Kritikpunkte:

Game of Thrones - Das Lied von Eis und Feuer
Game of Thrones - Das Lied von Eis und Feuer(c) HBO

Erklärungen fehlen

Sinnbildlich für diesen Kritikpunkt ist das Pferd, das Arya am Ende von „The Bells“ findet: Sie besteigt das Tier, vielleicht um aus der zerstörten Stadt zu flüchten. Viel wurde debattiert über die Bedeutung des weißen, blutbefleckten Pferdes – war es eine Anspielung auf die Apokalyptischen Reiter? Die Debatte ging ins Leere, im Finale ist vom Pferd keine Spur mehr und es ist nicht Arya, die die Antagonistin tötet. Apropos Antagonisten: Die Motivation des Night King ist mehr als dürftig. Er wolle die Welt zerstören, sagte Bran einmal. Und warum gerade jetzt? Das wird in der Serie nicht erläutert. Überhaupt: Wenn man sich auf Youtube halbstündige Erklärvideos anschauen muss, um etwas zu verstehen, hat eine Erzählung ihren Zweck nicht erfüllt.

Schlampigkeiten sind aufgetreten

Der Kaffeebecher in „The Last of the Starks“, die Wasserflaschen im Finale: Fans halten diese Schlampigkeiten für Sinnbilder des fehlenden Interesses der Drehbuchautoren, die Serie würdig zu Ende zu bringen. Auch auf inhaltlicher Ebene gibt es Anlass zum Kopfschütteln: Davos Seaworth schlägt Unsullied-Heerführer Grey Worm im Finale vor, er solle sich doch hier ansiedeln und ein Adelshaus gründen – dabei sind die Unsullied doch Kastraten. Dass das Heer der Dothraki, das man in „The Long Night“ untergegangen glaubte, im Finale wieder da ist? Seltsam. Dass Euron Greyjoy mit seiner Flotte Daenerys Targaryen in „The Last of the Starks“ auflauern konnte? Benioff erklärte das mit den Worten: „Dany kind of forgot about the Iron Fleet.“ Klingt nach einer schwachen Ausrede.

Die Frauen kommen zu kurz

Die britische Rundfunkanstalt BBC veröffentlichte eine Studie dazu, wie viel Redeanteil Frauenfiguren im Verhältnis zu männlichen Charakteren bekamen: Insgesamt nahmen Männer im Lauf der Serie um die 75 Prozent der Dialogzeit in Anspruch. Das überrascht, vor allem, da „Game of Thrones“ über viele spannende Frauenfiguren verfügt, allen voran Cersei Lannister, Daenerys Targaryen sowie Sansa und Arya Stark. In Staffel acht bekamen die – mit Ausnahme Aryas – wenig zu tun, das sieht man auch an der Statistik: Sie bekamen nur 22 Prozent der Dialogzeit, das ist der schlechteste Wert der Serie insgesamt. Gehandelt haben vor allem Männer. Wer König wird? Bestimmt Tyrion. Was mit Daenerys geschehen soll? Entscheiden Tyrion und Jon. Immerhin tötet Arya den Night King und Sansa wird Königin des Nordens. Dass Sansa nie als Herrscherin über den ganzen fiktiven Kontinent Westeros infrage kommt, ist allerdings erstaunlich. Aber wie sagt Varys, der Eunuch, in Folge vier: „Yes, cocks are important, I’m afraid.“ In Staffel acht ganz besonders.

Die Figurenentwicklung ist mangelhaft

Was „Game of Thrones“ von anderen Serien abgehoben hat, waren auch die runden Figuren, denen Zeit und Raum zur Entwicklung gelassen wurde. Staffel acht enttäuscht in dieser Hinsicht. Bei Jaime Lannister hatte man gar den Eindruck, sein Charakter würde sich rückentwickeln, als er Winterfell verließ, um zu Königin Cersei zurückzukehren. Dabei ist es ein Akt des Mitgefühls, dass er mit seiner Zwillingsschwester sterben will. Inszeniert ist das nicht so. Er redet etwas von „hateful“.

Das größte Manko ist aber die Entwicklung von Daenerys Targaryen. „I have been sold like a brood mare, I've been chained and betrayed, raped and defiled, do you know what kept me standing though all those years in exile? Faith in myself“, sagt sie in Staffel sieben. Eine Staffel später wird sie zur Antagonistin: „I don’t have love here. I only have fear“, moniert sie in „The Last of the Starks.“ Vergessen ist, dass sie Sklaven befreit hat, dass sie den Dothraki verboten hat zu vergewaltigen und zu plündern. Weil sie keine Liebe (vor allem von ihrem Neffen Jon Snow) kriegt, wird sie also böse. Der Wahnsinn ist in der Figur der Tochter des „Mad King“ angelegt, doch ihre Wandlung geht zu schnell, ihre Einsamkeit, ihre Abgründe werden zu wenig herausgearbeitet, um dem Zuschauer die Gefahr, die sie offenbar sein soll, spürbar zu machen.

Die Geschwindigkeit ist zu hoch

Seit Staffel sieben werden in der Serie tausende Kilometer übersprungen, als wären es nur wenige Meter. Szenen werden eingespart. Sansas und Aryas Reaktion auf Jons Abstammung? Sieht man nicht. Grey Worms Reaktion auf Daenerys' Tod? Ist kein Thema, plötzlich ist Tyrions Bart lange und alle wichtigen Lords von Westeros sind in King's Landing. Man muss nicht alles im Detail erzählen, aber in Staffel acht wurden Schlüsselmomente einfach weggelassen. Schade drum. In anderer Hinsicht scheint die Zeit nämlich eingefroren zu sein: Cersei ist bereits am Ende der siebten Staffel schwanger, doch einen Babybauch hat sie bis zu ihrem Tod nicht. Dabei müssten Monate vergangen sein, immerhin wurden in der Zwischenzeit zwei Heere nach Winterfell und zurück gebracht …

Die Logik leidet

Wer die Mutter von Jon Snow ist, fragen sich die Zuschauer seit Staffel eins. Aufgeklärt wurde das Rätsel am Ende der sechsten Staffel, seit der achten weiß es die Figur endlich selber. Doch die Abstammung des „Bastards“ ist in der Serie nur insofern relevant, als dass sie ihn von Daenerys distanziert. Die Briefe über den „wahren Thronerben“, die Varys verschickte, sind offenbar nie angekommen, denn sie sind im Finale nie Thema. Die Ansage Tyrions, dass Bran Stark König werden soll, weil er die „beste Geschichte“ erlebt habe? Im Vergleich zu anderen Figuren stimmt das schlicht nicht, so kam er in Staffel fünf zum Beispiel gar nicht vor. Die blutleere Darstellung von Isaac Hempstead-Wright hilft auch nicht gerade. Dass er König werden soll, weil er die Krone nicht wolle? Der Logik zufolge kämen auch andere infrage. Und wieso Jon seine Strafe an der Wall antreten muss, obwohl die Unsullied längst Richtung Naath abgesegelt sind? Egal. Offenbar hat es den Serienmachern gefallen, Jon Snow am Ende wieder dorthin zu schicken, wo er am Anfang war.

>> „Die Presse“ hat zu jeder Folge gebloggt:  DiePresse.com/gameofthrones

>> Artikel in „Wired“ 

>> Die Studie der BBC

>> George R.R. Martins Blog

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