Erwin Schrott, der diabolische Dandy

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In Gounods „Faust“ dominiert Erwin Schrott die Szenerie – aber Sonya Yoncheva setzt das vokale Glanzlicht.

Erwin Schrott als Méphistophélès ist ein Naturereignis. Herkömmlich vorgetäuschte Dämonie liegt ihm nicht, und er kann auch leicht auf sie verzichten. Stattdessen schlendert, stolziert oder tänzelt er grinsend über die Bühne, bestätigt mit ironisch verbrämter Selbstverständlichkeit immer wieder seine Komplizenschaft mit dem Publikum, das sich denn auch prächtig amüsiert. Wenn Schrott mit nackter Brust unter der halb offenen Lederkluft seine Fäden zieht, dann tut er das nicht als übersinnlicher böser Geist, sondern als sinnlich zupackender Verführer – auch und gerade dann, wenn er Marthe (Aura Twarowska) ablenken muss oder sich gustierend an Siébel (Stephanie Houtzeel) heranmacht.

Der Fächer, den ihm die Regie als Werkzeug seiner schwarzen Magie in die Hand gibt, ist ihm dabei weniger Waffe als vielmehr das Accessoire eines metrosexuellen Dandys, der sich an der eigenen Attraktivität berauscht – und sich ständig Kühlung zufächeln muss bei all der heißen Luft, die er produziert: die souveräne Leistung einer begnadeten Rampensau. Als solche hält sich Erwin Schrott freilich nicht lang mit vokalen Subtilitäten auf, sondern verlässt sich auch sängerisch ganz auf Mutter Natur – mit weniger Fortune. Rau und ungeschlacht klingt da immer wieder, was er mit voller und wirkungsvoller bassbaritonaler Kraft herauspfeffert: Der anfechtbare, aber enorme Detailreichtum seiner Darstellung findet im Gesang kaum Widerhall.

Glänzender Ersatz für die Netrebko

Ganz anders bei Sonya Yoncheva, die nun erneut als erstklassige Einspringerin geholt wurde: Hatte sie im vergangenen Juni die schwangere Nino Machaidze als Juliette ersetzt, trat sie nun statt Anna Netrebkos an, die im Februar von allen Verpflichtungen als Marguerite zurückgetreten war. Der jungen Bulgarin liegt die Partie freilich so gut, dass sie das vokale Glanzlicht darstellt: Ihr fülliger Sopran lässt einen aparten Schuss Herbheit im Timbre hören und erinnert in den besten Momenten dennoch entfernt an den Liebreiz der Freni. Für die Juwelenarie besitzt sie die nötige Leichtigkeit und Akkuratesse – und kleidet im letzten Akt die bittersüße Erinnerung an ihre erste Begegnung mit Faust in traumhaft zarte Pianophrasen, die Bertrand de Billy gemeinsam mit dem klangschön und aufmerksam agierenden Orchester feinfühlig grundiert: ein kostbarer Moment. Zugegeben, das schlanke, edle Violinsolo der Konzertmeisterin Albena Danailova in „Salut! Demeure chaste et pure“ war dem Tenor an strömender Leichtigkeit überlegen. Doch auch wenn Piotr Beczala diesmal nicht ganz so betörend und schlafwandlerisch sicher klang wie in früheren Vorstellungen, hatte, bleibt er dennoch ein herausragender Interpret des Faust. Großer Jubel. (wawe)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.05.2014)

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