Pianisten: Abschied vom österreichischen Klang

(c) AP (Gaetan Bally)
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Alfred Brendel verabschiedet sich mit philharmonischem Mozart als Interpret. Paul Badura-Skoda und Jörg Demus feiern ein Duo-Comeback. Und wie steht es um die viel zitierte Wiener Spieltradition?

Er wird wiederkehren, aber nicht als Musiker: Alfred Brendel wird heute, Mittwoch, und morgen noch einmal im Goldenen Musikvereinssaal Mozarts „Jeunehomme“-Konzert musizieren. Die Philharmoniker und Charles Mackerras sind seine Partner. Es soll unwiderruflich der letzte Auftritt des Pianisten Brendel werden. Der Künstler, Jahrgang 1931, kehrt zwar aufs Podium zurück; allerdings als Rezitator eigener Texte – solcher, die von seinem skurrilen Humor künden, aber auch solcher, die ihn als analytischen Kopf ausweisen, der mehr als viele Kollegen über äußere und innere Zusammenhänge in Musik und Musikgeschichte nachdenkt. Seit seinen 1976 in der Londoner Wahlheimat publizierten „Musical Thoughts and Afterthoughts“ (deutsch: „Nachdenken über Musik“) hat der Pianist immer wieder Erhellendes – und oft gegen den Traditionsstrich Gebürstetes – über Klassiker, Romantiker, aber auch über die Wiener Schule geäußert.

Übervater Schönberg

Immerhin ist der als Spross einer österreichisch-böhmischen Familie im mährischen Wiesenberg geborene Brendel auch ausgebildeter Dirigent und Komponist. Eduard Steuermann war einer seiner Lehrer – und den hatte einst Arnold Schönberg höchstselbst zum Pianisten für die Uraufführung seines „Pierrot Lunaire“ erkoren. Die analytische Schärfe von Brendels musikalischem Denken scheint querzustehen gegen die Ansichten, die man gemeinhin von einem typisch österreichischen Musikanten hat. Hierzulande, so heißt es gern, geht es doch vor allem einmal gefühlsbetont und spontan her – mehr Musizierherz als Musizierhirn, könnte man es auf den Punkt bringen.

Dazu passt, dass Brendel sich in England stets wohler fühlte als in wienerischen Gefilden. Doch stand ihm stets die Musik der Wiener Klassik nahe. Und nebst Liszt hat er für Schubert wohl am allermeisten getan. Die zyklischen Aufführungen von dessen Spätwerk haben mehr noch als etliche Beethoven-Serien das Bild Brendels in der Welt geprägt – und ihm doch auch die Zuneigung des Wiener Publikum zuvörderst gesichert.

Lauscht man nun Brendels Wiedergaben solcher Musik und vergleicht sie mit jenen von Kollegen unterschiedlicher Provenienz, dann wird man nicht umhinkönnen, doch die engste Verwandtschaft seines Spiels mit der österreichischen Musiziertradition zu konstatieren. Genau genommen, ist gefühlsselige Überfrachtung niemals die Sache einer „Wiener Schule“ gewesen – nicht nur jener Schönbergs, sondern auch jener der Pianisten Leschetizky und Seidlhofer, die als Lehrer Liszts Erbe ins 20. Jahrhundert übergeführt haben. Davon künden die Aufnahmen, die ein Friedrich Gulda hinterlassen hat und denen jeder Gefühlsüberschwang fremd ist, wie bis heute das Spiel von Künstlern wie Paul Badura-Skoda und Jörg Demus, deren Schubert, um ein Hermann-Broch-Wort zu paraphrasieren, frei von jedem „Seelenlärm“ ist.

Schubert, Mahler und der Stil

Damit verhält es sich wie mit den Mahler-Interpretationen, die erst Dirigenten wie Leonard Bernstein ins Überemotionelle gesteigert (und Filmregisseure wie Visconti endgültig verkitscht) haben. Ein amüsanter Zufall beschert Wien innerhalb kürzester Zeit nebst Alfred Brendels Abschiedsabend das Comeback des Duos Badura-Skoda/Demus.

Bleibt nur die bange Frage, ob, von Rudolf Buchbinder abgesehen, eine jüngere Generation bereit steht, den österreichischen Klavierstil international weiter zu pflegen?

Wiener Pianisten-Termine

Alfred Brendel musiziert am 17. und 18. Dezember mit den Philharmonikern und Charles Mackerras im Musikverein Mozart.■Jörg Demus und Paul Badura-Skoda konzertieren im Brahms-Saal am 20.12.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.12.2008)

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